Die Nikon D5 ist nicht nur das beste, was der Hersteller zur Zeit zu bieten hat, sie soll auch die Krone der DSLR-Technik selbst sein.
Die D5 ist neben der D500 die neueste Kamera aus dem Hause Nikon. Ich war Anfang des Jahres in Las Vegas, wo ich beide ausprobieren konnte. Inzwischen kann man die D5 kaufen. Sie ist das Flaggschiff des Herstellers, eine DSLR und kostet ohne Objektiv fast 7.000 Euro.
Wer diese Fakten hört, fragt mich als nächstes meistens zwei Dinge: Wer braucht das und warum kostet das so viel?
Es gibt zwei Zielgruppen, die unterschiedlich darauf antworten würden. Die erste sagt „Ist doch egal, es ist geil.“ und kauft sich das. Die gibt es wirklich, schön, wer das kann. Die zweite Gruppe sind Dokumentar-, Konflikt- oder Sportfotografen, die sich in jeder Situation auf ihr Arbeitswerkzeug verlassen können müssen. Die eine Kamera brauchen, die nie schlapp macht und immer Top-Leistung bringt.
Nikon wollte mit der D5 keine mal-gucken-was-alles-geht-Kamera machen, sondern eine, die auf ihren Gebieten die bestmögliche Leistung bringt. Das macht sie – pessimistisch betrachtet – erstmal zu „einer weiteren DSLR“. Ich hatte jedoch bisweilen das Gefühl, dass sie tatsächlich genau das tut, was Nikon wollte: in jeder Disziplin, für die DSLRs gelobt werden, die beste Performance zu bringen.
Zugegeben, das ist schwer geworden durch die inzwischen sehr, sehr gute CSC-Konkurrenz. Aber wer die SLR-Technik liebt, wird von der D5 überzeugt sein.
Eindruck
Wie auch bei Canon ist die Top-Riege der DSLR-Kameras sozusagen mit einem fest integrierten Batteriegriff ausgestattet. Das Gehäuse ist also verlängert und bietet damit Platz für einen wirklich massiven Akku, zusätzliche Buttons und auch einen Hochformatgriff. Sogar ein separates Display ist darin integriert, das einen Teil der Angaben wiedergibt, die auch auf dem Display der Oberseite angezeigt werden.
Die meisten Dinge an der Kamera sind irgendwie größer und mehr. Ein paar Funktionsschalter, die für gewöhnlich miteinander kombiniert werden, sind in einzelne Buttons aufgeteilt. Für die Ansteuerung des AF-Punkts (und weiterer Funktionen) gibt es gleich zwei Joysticks und das Kartenfach zeigt nicht wie üblich zur Seite, sondern nach hinten und muss mit einem abgedeckten Schalter entriegelt werden.
Die D5 wirkt brachial und man erwartet mindestens die zwei Kilogramm Eigengewicht, die beispielsweise auch die neue Phase One auf die Waage bringt. Das Teil ist aber leichter. Mit rund 1,4 Kilogramm ist sie noch nicht unbedingt handlich, wiegt aber auch nicht viel mehr als die üblichen Modelle der hochpreisigeren SLR-Riege. Zwei Stück von diesen Monstern will ich nicht unbedingt stundenlang um den Hals hängen haben, aber ein bisschen Mobilität geht damit schon.
Selbst Fotografen, die sich mit Nikon-Kameras (günstigerer Preisklassen) auskennen, werden von der Masse der Knöpfe erstmal erschlagen sein. Die Nutzung der Kamera geht aber ziemlich schnell in Fleisch und Blut über. Alles ist da, wo es sein soll und dadurch, dass so viele Funktionen einen eigenen Button haben, geht die Einstellung ziemlich schnell von der Hand. Natürlich lässt sich die Kamera auch weitgehend umprogrammieren und die eigenen Einstellungen in Profilen abspeichern.
Eigenschaften
Natürlich besitzt das Flaggschiff von Nikon den besten Sensor, den das Unternehmen zu bieten hat. Einen FX-Vollformat-Lichtfänger mit 20,8 Megapixel effektiver Auflösung. Die D4s war noch auf 16 MP beschränkt, doch trotz der größeren Bilder ist die neue Kamera noch schneller geworden.
In Verbindung mit dem neuen Expeed-5-Prozessor hat sich außerdem die Autofokusleistung dramatisch verbessert. Und mit dramatisch meine ich wirklich dramatisch. Gegenüber den 51 Messfeldern der D4 sind jetzt ganze 153 Messfelder über das Motiv verstreut. Diese werden aber dermaßen rasant abgefragt und ausgewertet, wie ich es bisher nur von der Sony A7R II kannte. Und die hat mich schon weggeblasen, als ich das erste Mal deren AF-Performance sah. Die D5 beweist also, dass auch die SLR-Technik noch mit den hybriden Verfahren der CSCs mithalten kann.
Daten tauscht die D5 immer noch nicht über WLAN aus (dafür braucht sie ein separates Modul), aber für Kabel zeigt sie sich empfänglich. An der Seite ist unter anderem ein USB 3.0 Anschluss untergebracht, es gibt einen Audioein- und ausgang, einen HDMI-Anschluss sowie einen Ethernet-Anschluss, über den Fotos und Videos mit bis zu 1.000 Mbit pro Sekunde durch das Kupfer gequetscht werden können.
Für das interne Speichern ergänzen sich zwei Systeme: wie üblich der Speicherkartenschacht aber auch ein interner Speicher. Ist die Kamera hungrig, darf sie mit CF-Karten gefüttert werden, die bei der Geschwindigkeit und Datenmenge jedoch relativ zügig an ihren Schmelzpunkt kommen. Darum gibt es die D5 auch mit XQD-Kartenschächten. Je zwei Karten können gleichzeitig in der Kamera versteckt werden, Modelle wie die Lexar Professional 2933x XQD 2.0 schlucken die Daten mit bis zu 400 Megabyte pro Sekunde.
Das klingt schon ziemlich ordentlich, doch auch bei solchen Karten mit einem Kostenpunkt um die 200 Euro kommt die Kamera nach einer Weile ins Stottern, weswegen Nikon sie mit einem internen Speicher ausgerüstet hat, der großzügig bemessen ist. Bis zu 200 RAW-Aufnahmen fallen in ihn wie in ein schwarzes Loch.
Apropos schwarze Löcher: die kann man mit der Kamera auch fotografieren…
Erinnern wir uns zurück: Die Nikon D4 hatte einen ISO-Bereich von 100 bis 12.800, der sich bis auf 204.800 erweitern lies. Das war Rekord. Dann kam mit der D4s die aufgebohrte Variante mit der ich sogar extra eine Nacht-Tour gemacht habe. Sie bot einen Bereich von ISO 100 bis 25.600 und lies sich bis auf ISO 409.600 erweitern. Damals bemerkte ich noch im Hands on: „Nein, ich habe mich nicht verschrieben“.
Das ist jetzt knappe zwei Jahre her. Der Standardbereich für die Lichtempfindlichkeit bei der D5 liegt nun bei ISO 100 bis ISO 102.400. Und er kann ebenfalls erweitert werden. Nämlich auf ISO 3.280.000. Jap, genau. Wir sind jetzt im Millionenbereich.
In einem Interview mit einem Nikon-Menschen hatte ich das vor ein paar Wochen hinterfragt. Zusammengefasst: Warum? Ist das ein Marketing-Gag?
Seine Antwort war, dass es die Marketing-Leute schon lieben, um damit „angeben“ zu können. Aber eigentlich sei das nur ein reines Nebenprodukt. Man hat die Rausch-Performance verbessern wollen und die Technik verändert. Das ermöglichte zum einen sehr viel rauschärmere Fotos im Standardbereich bisher aber auch einen rechnerisch astronomisch höheren ISO-Entsprechungswert. Und den haben sie dann einfach auswählbar gemacht.
Ähnliches gilt auch für die Videoaufnahme. 4K war damals in der D4s noch nicht möglich. Nun hat Nikon auf die Zeichen der Zeit reagiert und erlaubt die Aufnahme in der viermal höheren Auflösung gegenüber Full-HD. Auch hier lautet der Grund „weil die Kamera es kann“ aber auch „weil die Kunden es brauchen“.
Letztlich hat die D5 noch ein Feature, über das ich mich sehr gefreut habe, obwohl ich es selbst eigentlich kaum benutze: den rückseitigen Monitor. Endlich hat es ein Hersteller gewagt, die Auflösung des LCDs (acht Zentimeter Diagonale) auf 2,36 Millionen RGB-Punkte hochzuschrauben. Und ihn außerdem noch berührungsempfindlich gemacht. Zwar kann man dann das Nikon-typische Monitor-Schutzschild nicht mehr aufsetzen, aber das Durchwischen von Bildern, das Vergrößern mit zwei Fingern oder einfach das Festlegen von Einstellungen geht damit so viel schneller.
Performance
Kennt ihr diese Akkuschrauber, die man auf höchste Umdrehungen beschleunigt und die dank Stop-Mechanismus sofort zur Ruhe kommen, wenn man den Knopf los lässt? Das vermittelt mir immer so ein Gefühl von entfesselter Macht, die brutal gebändigt wird.
Dieses Gefühl hat man auch bei der Nikon D5.
Diese Kamera ist monströs schnell. Bis zu 12 Bilder mit 20 MP Auflösung hämmert die D5 pro Sekunde in die Leiterbahnen. Dabei wurde der Spiegelschlag optimiert, so dass die Dunkelphasen im Sucher extrem kurz sind und man (fast) immer das Motiv sieht. Lässt man den Spiegel hochgeklappt, beschleunigt die Kamera auf 14 Bilder pro Sekunde. Wohlgemerkt fokussiert und belichtet sie dabei stets nach.
Das klingt und fühlt sich schon ziemlich beeindruckend an, wenn man den Finger auf den Auslöser senkt. Aber die D5 ist keine Sprinterin, sondern hat einen langen Atem. Das irrwitzige Tempo hält sie für bis zu 200 Aufnahmen am Stück durch und man bekommt schon schwitzige Hände, wenn man sie dabei erstmal so richtig abgehen lässt.
Dass der Autofokus verflucht schnell ist, habe ich schon geschrieben. Hier ergänze ich nun auch noch, warum er das sein muss. Nehmen wir einen Sportfotografen, der eine Leichtathletik-Meisterschaft fotografiert. Der Athlet schleudert gerade über den Boden, setzt zu einem fünfzehnfachen Salto an und katapultiert sich in die Luft. Das ist der Moment für die geilsten Aufnahmen. Ein geübter Fotograf denkt dabei voraus und zielt auf einen Punkt, den der Sportler erst noch erreichen wird. Die Kamera kann aber nicht denken, sie muss stattdessen innerhalb von Sekundenbruchteilen das Gesicht des Athleten erkennen, auf die Augen fokussieren, scharfstellen und ein Bild machen.
Mit der D5 funktioniert das und ihr helfen dabei die bereits erwähnten 153 AF-Felder, gleich 99 Kreuzsensoren und 15 Sensoren, die eine Lichtstärke von 1:8 unterstützen, also äußerst lichtempfindlich sind und eine tragende Rolle spielen, wenn es an extreme Telebrennweiten oder Konverter geht.
Das ist die Kür, der Rest ist Pflicht und die erfüllt auch die Nikon D5 hinreichend. Keine Frage, dass schnelles und präzises Nachfokussieren auch bei 4K-Videos kein Problem ist. Und da ein mechanischer Verschluss genutzt wird, liegt die kürzeste Verschlusszeit bei 1/8.000 Sekunde.
Was die Bildverarbeitung angeht, rühmt sich Nikon, die Algorithmen insbesondere bei Hauttönen verfeinert zu haben. Diese sollen noch natürlicher dargestellt werden. Insgesamt muss man sagen, dass die Bilder der Kamera sauber, scharf und rauscharm wirken. Letzteres und der Dynamikumfang sind Nikon-typisch exzellent.
Fazit
Für wen diese Kamera ist, habe ich ja oben schon geschrieben. Tatsache dürfte sein, dass die Käufer der Nikon D5 tatsächlich auch das Beste bekommen, was mit DSLR-Technik derzeit machbar ist. Die Kamera ist nicht nur brutal schnell, sie ist auch äußerst zuverlässig und bietet in Sachen Lichtempfindlichkeit und dank der Video-Funktionen massive Reserven.
Für meine Zwecke ist sie definitiv overpowered. Aber es macht einen riesen Spaß, mit ihr zu fotografieren.
Mehr!
Also, mein Lieber, den „besten Sensor, den Nikon zu bieten hat“, kann ich ja mal gar nicht so unwidersprochen da stehen lassen. DPRreview kommt da auf andere Schlussfolgerungen: http://www.dpreview.com/news/9402203921/nikon-d5-shows-drop-in-dynamic-range
Heisst, eine D750 zeigt noch deutlich mehr Zeichnung in den Schatten las dieser Hobel. Da interessieren mich auf einmal die 12 fps nicht mehr.
Die 153 Fokusmessfelder mögen nett sein, ich finde die aber extreme Augenwischerei, denn ein fetter breiter Streifen rings um das Sensorenfeld hat überhaupt keine. Wäre geil gewesen, wenn Nikon es geschafft hätte, das gesamte Sucherfeld mit Sensoren zu pflastern, aber so – unbeachtet der sicher tollen AF-Leistung – finde ich das eher „na und?“. Nebst dem kleinen Detail, dass, wer seine Objektive automatisch auf die Kamera kalibrieren möchte (AFMA ist immer nötig. und keine Spielerei, und keine Aussage über Objektiv- oder Kameraqualität), dann statt zum teuren FX-Hobel, zur preisgünstigeren D500 greifen muss. Das finde ich nochmal extra schwach. 7 k€, und dann von Hand kalibrieren? Viel Vergnügen!
Nun wäre noch toll gewesen, wenn Du mal die Art Action-shots gemacht hättest, für die das Teil ja eigentlich gedacht ist. Kein Kugelhagel, Bombardement, keine Olympiade und keine Pinguine im Packeis in der Nähe? Haste Glück. Auf dieser Welt scheint das die Ausnahme. :)
Hallo Joachim!
Den Vergleich kannte ich noch nicht, danke fürs Ergänzen. Das ist natürlich ärgerlich, dass es da Einbußen gibt. Kann ich aber nachvollziehen: Es hieß bei der Vorstellung in Las Vegas, dass viel am Sensor, aber auch viel am Prozessor gearbeitet wurde. Die drastisch erhöhte Lichtempfindlichkeit schlägt da wohl am meisten rein. Und wie wir wissen, sinkt der Dynamikumfang ebenfalls rapide, je höher der ISO-Wert wird. Im Grunde also nachvollziehbar, dass der Sensor auf diesem Gebiet Federn lassen musste.
Ist trotzdem nicht geil, da gebe ich dir recht. Bei dpreview sieht das schon dramatisch aus. Ich habe auch noch irgendwo D750-Bilder, da müsste ich mal schauen, ob das wirklich so ein heftiger Unterschied ist.
Eine Antwort auf die „Begrenzung“ der AF-Felder konnte mir bisher auch noch keiner liefern. Auch Phase One hat seinen AF so gerühmt, der ist aber noch stärker auf den Bildzentrum verteilt. Ich vermute mal, dass es etwas mit der SLR-Technik an sich zu tun hat, sonst gäbe es diese krassen Unterschiede zu den CSCs nicht. Schon die Samsung NX1 aber auch die neueren Sonys decken tatsächlich fast das ganze Bildfeld ab.
Ja stimmt, leider tobte kein Luftkampf direkt über meinem Kopf, als ich die D5 ausgeführt habe. Ich hatte lediglich fahrende Autos verfolgt. Ergebnis: Alles scharf und Speicherkarte im Nu voll. Sie tut in der Beziehung also, was sie soll. Um das zu schreiben waren mir die Bilder selbst zu aussagelos. Zumal ich sie hier nur verkleinert und in einer Serie hätte abbilden wollen.
Mit zwangsweise verspätetem Gruß,
Mario
Der Dynamikumfang kackt aber schon vor den sechstselligen ISO-Zahlen ab. Ich fand das relativ praxisgerecht getestet: Wie oft musste ich schon Schatten nach oben ziehen, weil ich keinen ausgefressenen Himmel wollte. Naja, muss ja nicht für jeden sein, und solange uns die „bewaffneten Auseinandersetzungen“ nicht ausgehen, kann man das Teil ja mit Sensationspreisen für im wahrsten Sinne „Mörderfotos“ bezahlen.
Mir fiel nachträglich noch ein, dass man vorher wissen muss, ob mal lieber exotische, aber schnelle XQD Karten will oder lieber CF-cards, die es auch am Bahnhofskiosk Aleppo noch gibt, wenn man unter dem Schutt lange genug gräbt. :-/