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Hands on: Leica Q

Leica baut eine Kompaktkamera. Und setzt sich damit direkt an die Leistungsspitze.

Das ist eigentlich eine interessante Geschichte: Die Edel-Kamerabauer, zum Beispiel Hasselblad und Leica, fingen vor Jahren an, Kameras im Consumer-Segment zu platzieren, um das eher überschaubare Kerngeschäft zu stützen. Hasselblad schnappte sich dazu Sony-Kameras und veredelte diese mit handgedrechselten Hölzern und Leica setzte vorwiegend Panasonic-Technik ein, um die eigenen Qualitätsstandards drum herum zu kleben.

Zumindest bei Leica scheint nun Schluss zu sein mit den Spielchen. Die Wetzlarer machen jetzt ernst und blasen demnächst mit der Leica SL und bereits jetzt schon mit der Q zwei spannende neue Geräte auf den Markt.

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Eindruck

hands-on_leica-q_slant02Eines muss man zu Beginn erstmal festhalten: die Q ist eine Kompaktkamera. Das könnte man leicht vergessen, wenn man sie sieht und noch schneller, wenn man sie anfasst. Denn die Leica ist – obwohl sie nicht so wirkt – wuchtig und nicht wahnsinnig kompakt. Die 13 Zentimeter Breite, 8 Zentimeter Höhe und 9 Zentimeter Tiefe (5 davon gehören zum Objektiv) sind nicht unbedingt Hemdentaschentauglich, liegen aber sehr gut in der Hand.

Trotz relativ harten Kanten und vielen glatten Stellen ist die Q überraschend griffig, was nicht zuletzt an der fein diamantierten Belederung liegt. Aber auch an der Rückseite an einer Griffmulde für den Daumen, die in das Gehäuse eingelassen ist. Optional gibt es noch Fingerschlaufen und einen zusätzlichen Griff. In Kamerahaltung am Auge fühlt sich die Leica jedenfalls super an und wirkt bis auf das Achtung-ich-bin-teuer-Leica-Siegel sehr elegant und zurückhaltend.

Knöpfe hat man sich weitgehend gespart. Es gibt auf der Rückseite ein Steuerkreuz mit Hauptbutton, links neben dem Display fünf Schnellbuttons und oberhalb davon einen unbeschrifteten. Wozu der dient, erkläre ich später. Auf der Oberseite hat man zwei Stellräder und den Auslöser untergebracht, der gleichzeitig als Ein-Aus-Schalter fungiert. Neben der Off-Stellung gibt es aber keine On-, sondern eine Single-Foto und eine Serienfoto-Stellung. Das spart eine Menge Zeit beim Umstellen.

Das andere, größere, Rad dient zum manuellen Einstellen der Verschlusszeit – so, wie es Analog-Fanatiker gewohnt sind (oder auch Fuji-Fotografen). In Kombination mit dem Blendenring direkt am Objektiv macht das richtig Spaß. Beide Räder kann man aber auch auf „Auto“ stellen und die Wahl dann der Kamera überlassen.

Eigenschaften

hands-on_leica-q_frontSieht man das technische Datenblatt der Q, dann ist man versucht, an die Sony RX1 oder die Schwester RX1R zu denken: Eine Kompaktkamera, in den man einen Vollformatsensor mit 24 Megapixel gequetscht hat. Eine ziemlich reizvolle Kombination. Die RX1R II wird die Q zwar demnächst überflügeln, was das angeht (ihr hat man einen 42 MP Sensor ohne Tiefpassfilter eingelötet), doch hat die Leica in gewissen Bereichen dennoch die Nase vorn.

Eines der herausragendsten Merkmale ist nämlich der elektronische Sucher. Er markiert mit einer Auflösung von 3,68 Megapixel derzeit das Ende der Fahnenstange und ist wirklich großartig anzuschauen. Wie man es auch von anderen Kameras kennt, kann wahlweise er, der Monitor oder beides im Wechsel (Umschaltung durch Annährungssensor) zum Live-View und für das Menü genutzt werden.

Witzigerweise treffe ich immer wieder Leute, die nicht verstehen können, warum man an einer Kamera nicht zoomen kann. Kann man an der Leica (im Grunde) auch nicht, denn fest verschweist ist eine Festbrennweite: ein Leica Summilux 1:1,7/28 mm ASPH. Und das ist tatsächlich das beste, was der Hersteller machen konnte, denn die Optik ist wirklich exzellent. Brutal scharf, extrem gut vergütet und sehr lichtstark.

hands-on_leica-q_backUnd witzigerweise hat Leica ein Goodie parat: Wer partout nicht auf Dauer mit den 28 Millimetern klar kommt, drückt den kleinen unbenannten Schalter über dem Display. Er blendet nacheinander zwei Rahmen ein, die das Bild beschneiden. Der erste Rahmen markiert den Bildausschnitt einer 35mm- und der zweite einer 50mm-Brennweite. Im Grunde also eine Art Digitalzoom. Allerdings wird das Foto nicht automatisch vergrößert, sondern lediglich beschnitten.

Fotografiert man in JPG, dann verkleinert die Kamera das Bild auf den festgelegten Bildausschnitt – dieser entspricht dann scheinbar einer Brennweite von maximal 50mm und hat immerhin noch eine Auflösung von 7,5 Megapixel. Fotografiert man mit 35mm-Beschnitt haben die Fotos rund 15 Megapixel.

Macht man das ganze in RAW ist die Kamera noch etwas cleverer. Sie beschneidet auch hier das Bild – aber nur virtuell. Da die Leica traditionsgemäß das Adobe DNG-Format nutzt, wird das gesamte Bild im Container abgelegt inklusive Beschnitt-Infos. Auf Wunsch kann also aus einem verkleinerten 50mm-Foto wieder das große 28mm-Foto wiederhergestellt werden.

Etwas seltsam mutet an sich an, dass man entweder in JPG oder in DNG+JPG schießen kann. Einen „nur-RAW-Modus“ gibt es nicht. Das dürfte allerdings der Tatsache geschuldet sein, dass eventuell nicht alle RAW-Konverter mit den virtuell beschnittenen DNGs umgehen können und man sonst gar keine verkleinerten Versionen hätte, wenn es das JPG nicht gäbe. Um dem abzuhelfen, hat Leica der Kamera allerdings Adobe Lightroom beigelegt – das kommt problemlos damit klar.

Performance

hands-on_leica-q_leftDer Bildprozessor trägt den verheißungsvollen Namen „Maestro II“ und sorgt für die Verarbeitung von bis zu 10 Bildern pro Sekunde in voller Auflösung – SLR-Niveau. Auch die AF-Geschwindigkeit profitiert von der Rechenkapazität und bietet zwar kein Hybrid- aber immerhin ein Kontrast-basiertes System, das eben daher nicht extrem schnell aber dafür sehr schnell und sehr genau ist. Gimmicks sind dabei Gesichts-Erkennung, Motiv-Verfolgung und Fokussieren+Auslösen auf Fingertipp. Alles ziemlich präzise und flott.

Interessanterweise kommt man bei der Verschlusszeit (mechanisch) nicht ganz auf SLR-Niveau: Hier ist bei 1/2.000 Sekunde Schluss. Es gibt aber auch eine elektronische Variante, die dann bis zu 1/16.000 hinunter reicht und damit nicht nur High-Speed-Aufnahmen, sondern auch absolut geräuschlose Fotos erlaubt. Im Automatikmodus wechselt die Kamera übrigens von selbst – immer dann, wenn es nötig ist, unter 1/2.000 zu gehen.

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Eines muss man der Leica neidlos zugestehen: Die Bildqualität ist schon sehr, sehr gut. Kamera und (darauf abgestimmte) Optik arbeiten ausgezeichnet miteinander zusammen. Die Linsenkonstruktion ist ziemlich lecker und der Sensor mit seinen ISO 50.000 im unteren Bereich sehr rauscharm. Interessanterweise gibt Leica sogar einen Wert für den Dynamikumfang an. Nämlich 13 Blendenstufen.

Das ist mit Vorsicht zu genießen, denn es liegt schon im unteren Bereich von Mittelformatkameras und ist bei CMOS-Sensoren äußerst selten. Einzig die neue Sony A7S II kommt wirklich da ran, aber die hat auch einen monströs „dynamikumfänglichen“ Sensor. Dennoch: Die Leica holt erstaunlich viel aus dem dicht bepackten Sensor heraus:

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Zum Vergleich, was der Sensor der Leica Q so hergibt. Das Motiv zeigt eine für Kameras äußerst schwierige Gegenlichtsituation. Ganz links sieht man das RAW der Leica. Daneben das Bild, das kompakte Kameras oder Einsteiger-APS-C-SLRs leisten. Rechts dann sieht man, was man aus dem RAW herausholen kann, wenn man es nicht zu arg übertreibt. Es handelt sich dabei aber noch nicht um ein HDR-Bild, sondern einfach ein paar verstellte Lightroom-Regler.

Was die Konnektivität angeht, haben sich die Wetzlarer nicht lumpen lassen und die aktuellen Standards eingebaut: Neben HDMI- und Mikro-USB kann die Verbindung zur Kamera auch via NFC und WLAN hergestellt werden.

Fazit

Die Leica Q würde ich gar nicht so sehr als Kompaktkamera, sondern eher als Reportagekamera verstehen. Vielleicht als sehr kompakte Reportagekamera. Sie ist elegant, recht unauffällig und ziemlich flott. Die 28 Millimeter Brennweite sind perfekt und selbst wer mehr will, fährt mit dem „digitalen Zoom“ gar nicht mal schlecht, da er beschneidet, statt zu vergrößern. Außerdem ist das Umschalten wirklich flott – habe ich während den Aufnahmen ständig gemacht.

Im Netz las ich neulich eine Schlagzeile: „Warum schafft das kleine Fotounternehmen aus Deutschland etwas, wozu Nikon und Canon nicht in der Lage sind?“

Das stimmt natürlich teilweise. Mit der Q liefert Leica eine Vorzeigekamera ab, die mit großartigem Sensor, tollem Handling, fantastischem Objektiv und wegweisendem EVF die Latte höher legt. Allerdings kostet dieses Paket auch saftige 4.000 Euro und hat damit eine eher kleinere Zielgruppe.

Trotzdem ist die Leica Q ein wichtiges Signal an die Branche und ein schöner Beweis dafür, dass der Hersteller selbst definitiv nicht im analogen Zeitalter stecken geblieben, sondern durchaus sehr beweglich ist.

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4 Gedanken zu „Hands on: Leica Q“

  1. 4000 Öcken? Nur? Dafür dann wenigstens Pseudo“brennweiten“ aka Beschnittwerkzeug, supi.

    Dennoch, bei allem Geschmunzle über die Mondpreise: Genau das Ding für „nur eine Kamera dabei, dafür dann aber was richtig Fettes“ – ohne Zillionen Menüzeilen, fast blind bedienbar und mit allem dran, was man will.

    Nur schade, dass die schneller veraltet als man die 4000 zusammenscharren kann.

  2. Schöner Bericht und schöne Fotos. Vielleicht hätte man bei der Erwähnung der Sony RX1 auch noch die Fuji X100 (S/T) erwähnen können. Die Sony teilt zwar einen Vollformatsensor mit der Leica, ist aber vom Bedienkonzept ganz anders (mit PASM Modusrad) und hat keinen Sucher. Die X100 dagegen hat sogar zwei Sucher (EVF und OVF) und ein fast identisches Bedienkonzept, und liefert trotz kleinerem Sensor (mindestens) ebenbürtige Bildqualität.

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