Ein Klatsch auf den Hintern und siehe da: es ist eine Olympus! Die neue ist nicht nur klein und niedlich, sondern sie kann auch ordentlich schreien.
Olympus‘ Systemkamera-Reihe hört auf den Namen OM-D, erhebt mit allen Modellen einen Premium-Anspruch und besteht aus drei Serien: Die E-M1 als das Flaggschiff ist für Profis gedacht. Die E-M5 Mark II richtet sich an sogenannte Enthusiasten und die E-M10 Mark II (die Vorgängerin ist weiterhin erhältlich), präsentiert sich als Einsteigermodell für Newcomer.
Allen ist der Retro-Flair gemeinsam und bei jedem Modell finden sich Anspielungen auf alte Kameramodelle aus der Geschichte des Herstellers.
Die neueste Olympus-Kamera ist noch ganz frisch und kommt erst in diesen Tagen in den Handel. Es kann sogar gut sein, dass sie noch gar nicht zu haben ist, während ihr das hier lest. Und sie kommt auch recht flott, denn ihre Vorgängerin ist erst 18 Monate alt. Klingt nach einem regulären Update des bisherigen Modells ohne große Neuerungen, oder?
Eindruck
Ich war schon letzte Woche mit der Oly unterwegs und als ich sie auspackte, entfloh mir ein langgezogenes „Awwwwww, wie niedlich!“
Tatsächlich ist die neue E-M10 Mark II ein richtig schmuckes kleines Ding: knapp 12 Zentimeter breit, 8 Zentimeter hoch und nur 4,7 Zentimeter tief. Hinzu kommt noch ein Objektiv, aber das ultrakompakte 14-42er, das mitgeliefert wurde, sorgt für höchstens weitere drei Zentimeter Tiefe. Es ist eines von der Sorte, die erst durch einen Dreh aktiviert werden müssen und ausfahren, bevor man sie verwenden kann.
Auch bei der neuen Oly ist der Hang zum Retro-Design unverkennbar. Ich bin mit meiner fetten schwarzen Nikon-SLR voll zufrieden, aber ich mag den Retro-Stil total, das muss ich zugeben. Und die neue Olympus gibt sich herrlich verspielt. Sie ist auch in einer matt-schwarzen Variante erhältlich, aber mal im Ernst, wen interessiert die schon? :) Oder mögt ihr das klassische schwarz lieber?
Auffällig ist vor allem der Ein-Aus-Schalter, der mich an den Dreh-Hebel eines Herds aus den 50er Jahren erinnert. Tatsächlich ist er aber eine Hommage an die OM-1. Einen frei belegbaren Fn-Knopf haben die Designer auch daneben gelegt und die Kamera auf der rechten Seite des Sucherbuckels mit weiteren Schaltern zugepflastert. Vor allem die drei herausstehenden Wahlräder sind sehr dominant. Mir persönlich sogar ein Hauch zu überpräsent, aber dafür lassen sie sich umso angenehmer bedienen. Überhaupt wurden einige Tasten im Vergleich zum Vorgängermodell vergrößert und neu angeordnet. Immer ein sicheres Zeichen dafür, dass man auf das Feedback der Nutzer eingeht.
Davon abgesehen bietet das Äußere nicht viele Überraschungen. Den Umschalter zwischen EVF und LCD musste ich erstmal suchen, den hat Olympus seitlich an den Sucherbuckel dran genippelt. Mit dabei ist auf jeden Fall aber auch wieder ein klappbarer LCD – das gefällt. Und man hat auf der Rückseite eine Nase überstehen lassen. Sieht komisch aus, fasst sich aber sehr angenehm an. Unter den Wasserhahn sollte man die Kamera übrigens nicht längere Zeit halten, denn im Gegensatz zu den größeren Geschwistern muss sie auf den Spritzwasserschutz verzichten.
Apropos anfassen: Der Griffwulst auf der Vorderseite ist eher nett gemeint als wirklich hilfreich. Auch diese Kamera kann ich trotz eher kleiner Hände nicht über längere Zeit angenehm tragen, aber immerhin gibt es optional einen Griff, den man zusätzlich anbringen kann. Dann wird das Hantieren mit größeren und schwereren Objektiven gleich um ein Vielfaches angenehmer.
Kleine Seitenbemerkung: Manchmal werde ich gefragt, wie „dicht“ oder „geschützt“ die Kameras und Objektive denn wirklich sind. Zur Vorstellung der E-M5 Mark II in Prag zeigte man uns ein Modell, das mehrere Tage lang unter einem stetig Wasser tropfenden Rohr gestanden hatte und problemlos jederzeit ihre Arbeit verrichtete.
Eigenschaften
Als lichtsaugendes Zentrum der Kamera fungiert ein MFT-Sensor mit rund 16 Megapixel Auflösung. Das ist MFT-Standard und war bis vor einigen Wochen der obere Rand der Messlatte. Panasonic hat es bei der jüngsten GX8 inzwischen gewagt, 20 MP auf die Leiterbahnen zu klatschen, hier hält sich Olympus aber noch zurück.
Olympus kennt sich definitiv mit elektronischen Suchern aus und so ist auch das Modul in der E-M10 Mark II auf der Höhe der Zeit. Die LCD-Vorgängerlösung wurde durch ein OLED-Display mit 2,36 Millionen Bildpunkten ersetzt, das eine 1,23-fache Vergrößerung bietet. Im Kleinbild-Vergleich entspricht das einer 0,62-fachen Vergrößerung, was sehr ordentlich ist. Einzig die neue Sony A7R Mark II bietet die momentan höchstmögliche Vergrößerung mit 0,78-fach. Im Klartext heißt das: trotz kompakter Kamera und ebenso kompaktem Sucher hat man ein kontrastreiches, großes und helles Sucherbild vor der Pupille.
Einblenden kann man in den Sucher wie gewohnt haufenweise Zusatzinfos: etwa das übliche Gitter, eine Wasserwaage aber auch ein Live-Histogramm, das erstaunlich flüssig läuft und für das es auf der Oberseite der Kamera sogar einen eigenen Schalter gibt. Olympus gibt das seinen Kameras seit einiger Zeit mit auf den Weg, weil man auf Wunsch den Bildstil nach eigenem Gutdünken anpassen kann, indem man das Histogramm direkt beeinflusst. Profi-Spielerei. Davon abgesehen ist der EVF immer flott und klar – außer halt bei besonders düsterem Licht und sehr schnellen Bewegungen.
Noch eine kleine Besonderheit, die in diesen Tagen auch in den Kommentaren hier im Blog zur Sprache kam: Der klappbare LCD der Kamera ist berührungsempfindlich. Neben allen möglichen Einstellungen erlaubt er damit auch das Setzen des Fokuspunkts mit dem Finger (auf Wunsch wird dabei auch gleich ausgelöst). Das ist eine der intuitivsten und schnellsten Möglichkeiten zu fokussieren, funktioniert aber nur solange gut, wie ich das Ding von meinem Körper weghalte und mir nicht unter die Augenbraue klemme.
Da ich das trotzdem tue, fiel mir auf, dass sich der Fokuspunkt wie von Geisterhand selbst verstellte, während ich durch den Sucher schaute. Grund: Olympus lässt die Touch-Funktion des LCDs aktiviert auch wenn der EVF den Job übernommen hat und der Monitor hinten nichts mehr anzeigt. Man kann also völlig intuitiv mit seiner fettigen Nase über das Display schmieren und damit den Fokus setzen. Witzigerweise hat der Hersteller den LCD spezialbeschichtet, damit man nach dem Fotografieren auch noch etwas darauf erkennen kann. Wer nicht so einen gewaltigen Kopf hat, kann die Olympus also SLR-mässig halten, einen schlanken Finger unter die Nase schieben und den Touch-AF benutzen.
Performance
Dann bleiben wir doch gleich beim Autofokus. Der ist nämlich wie bei den größeren Geschwistern eine wahre Freude. Das Ding ist unverschämt schnell und dank des integrierten Prozessors auch recht clever. Natürlich ist eine Gesichtserkennung an Bord, die sehr schnell und zuverlässig reagiert – auch, wenn das Gesicht gerade nicht in der Schärfeebene liegt. Tut es das, dann erkennt die Kamera auch die Augen und setzt den Fokus darauf.
An insgesamt 800 Punkten misst die Kamera, um den richtigen Fokus zu erwischen. Das macht das System erstens sehr genau, zweitens aber auch vermeintlich nervenaufreibend, denn all die Felder können auch manuell durchgeschaltet werden. Damit man aber nicht den ganzen Tag damit beschäftigt ist, mit dem Steuerkreuz durch die Fokusfelder zu jagen, werden die in Gruppen zusammengefasst. Zu der mittenzentrierten Messung gibt es außerdem noch eine Abwandlung, die das mittige Feld um acht zusätzliche erweitert.
Sowieso ist das Fokussieren mit der Olympus ein riesen Spaß. Das manuelle Einstellen der Fokuspunkte geht unheimlich schnell und einfach. Daneben gibt es einen Tracking-AF, der ein anvisiertes Motiv erkennt und permanent im Fokus behält, auch wenn es sich bewegt. Oder der Fotograf. Exzellente Lösung für Point-and-Recompose-Fotografen wie ich einer bin. Warum ist das nicht Standard in jeder Kamera? Fans der Handarbeit bekommen ebenfalls viele Hilfen aufgedrückt: beim manuellen Fokussieren helfen eine extreme Sucherlupe, die sich automatisch einschaltet und Fokus-Peaking in unterschiedlicher Stärke und Farbe.
Übrigens besitzt die E-M10 Mark II eines der vollsten und umfassendsten Menüs, die ich kenne. Hier kann man echt alles einstellen und dürfte eine Weile brauchen, bis alles in Fleisch und Blut übergegangen ist. Etwas ungewohnt ist, dass man die grundlegenden Foto-Einstellungen (Bildformat, Belichtungsmodi usw.) komplett aus dem Menü rauslässt. Dafür gibt es ein eigenes Quickmenü, das per Tasten- oder Fingerdruck aufs LCD geholt wird.
Gegen Verwacklungen hilft der 5-achsige Stabilisator, der direkt mit dem Sensor verlötet ist. Im Vergleich zur Vorgängerin hat er nicht nur zwei Achsen mehr spendiert bekommen, er arbeitet auch effektiver. Ich kannte das System schon aus der E-M5 Mark II und kann dazu (vor allem beim Filmen) nur sagen: ein Bild kann man mit dem Bildstabilisator nur verwackeln, wenn man den Sensor aus dem Gehäuse reißt und herum trägt. Ehrlich. Das Ding ist verboten gut und lässt Fotos bis runter zu 1/5 Sekunde aus der Hand machen. Ein Beweisbild – Langzeitaufnahme aus der Hand am hellichten Tag – gibt es hier etwa in der Mitte des Artikels.
Taugt die Kamera für Schnappschüsse? Die Antwort: Minimale Verschlusszeit bis zu 1/4.000 Sekunde bzw. 1/16.000 Sekunde mit elektronischem Verschluss. Rund 8 Bilder pro Sekunde in voller Auflösung und bis zu 22 12-Bit-RAW-Aufnahmen am Stück. JPG schießt sie bis die Leiterbahnen der SD-Karte schmelzen.
Fazit
Die neue Olympus ist nicht nur niedlich, sie hat auch ordentlich was unter der Haube. Das merkt man vor allem daran, dass dieser Artikel hier relativ voll gepackt ist, ich ihn nur binnen 90 Minuten hingeschleudert und dennoch nur an der Oberfläche gekratzt habe. Ähnlich wie beim Bericht zur E-M5 Mark II.
Einige Funktionen der neuen Oly übertreffen die Fähigkeiten einer SLR, darüber brauchen wir gar nicht diskutieren. WLAN hat sie an Bord und kann komplett ferngesteuert werden, Videos nimmt sie „nur“ in Full-HD auf, dafür aber verwacklungsfrei und in allen möglichen Qualitätsstufen. Einen Blitz hat man ins Gehäuse geklebt und verspielte Fotografen-Naturen kleistern ihre Bilder mit 14 Art-Filtern zu, können ihre Fotos in der Kamera als Photo-Storys oder Kollagen drapieren lassen oder lassen die Kamera einfach selbst alle Arbeit machen, wobei sie aus 25 Aufnahmeprogrammen auswählt.
Wer alles selbst machen will, ist auch willkommen, denn die Einstellmöglichkeiten liegen auf absolutem Profi-Niveau, ebenso wie der Bedienkomfort und die Kernmerkmale wie Sensor, Bildstabilisierung und Autofokus.
Die E-M10 Mark II ist der jüngste und kleinste Spross der OM-D-Familie aber ich behaupte mal, dass sie 90 Prozent der Alltagsfotografen happy machen kann. Falls ihr sie zu Weihnachten verschenken solltet: bitte, bitte in einem kleinen Weidenkörbchen mit fetter Schleife dran! ;)
Mehr!
die reinste Wahlpropaganda.
Viel blabla-der Flayer von Olympus sagt mehr.