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Hands on: Fujinon XF 56mm F1.2 R APD

Bevor es gänzlich verjährt, werfen wir einen Blick auf das vielleicht schönste Objektiv von Fujifilm.

Das Fujinon XF56mmF1.2 R APD wird vom Hersteller selbst als Porträtobjektiv und Bokeh-Gigant beworben. Reine Marketing-Schlagwörter, vermutet man…

Schwenken wir nochmal rüber zu Sigma, die ihr Portfolio ebenfalls in drei verschiedene Bezeichnungen aufgeteilt haben. „Art“ beschreibt dabei Objektive für „künstlerisch anspruchsvolle“ Fotografen. „Art“ ist außerdem schlichtweg eine andere Bezeichnung für „Premium“, die praktisch nichts sagt, außer „hochwertig“. Man hat es nur nicht Premium genannt, damit alle anderen Objektive nicht als schlechter assoziiert werden.

Das neue Fujinon dagegen wäre ein perfekter Prototyp für eine tatsächlich ernstgemeinte „Art“-Produktserie. Denn es ist nicht das ultimativ schärfste Objektiv, aber es legt einen ganz besonderen Wert auf richtig schöne Bildeindrücke.

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Eindruck

hands-on_fujinon-56mmf12apd-xt1Es gibt bereits ein gleichartiges Objektiv, das „XF 56mm F1.2 R„. Im Vergleich zu diesem Vorgänger hat sich beim Erscheinungsbild praktisch nichts getan. Das Teil ist etwa sieben Zentimeter lang. Fast genauso im Durchmesser und wiegt satte 400 Gramm. Nicht viel, wenn es eine DSLR-Optik wäre, an einer CSC aber immerhin beachtenswert. Warum das so ist, muss man nicht lange rätseln, wenn man sich das Teil ansieht. Die Frontlinse ist einfach so riesig, dass man das Objektiv von weitem erkennt, weil sich das ganze Sonnensystem drin zu spiegeln scheint.

Die Haptik ist klasse: Das Fujinon ist gut verarbeitet, die Stellringe laufen butterweich und von China-Plastik fehlt jede Spur. Da es nicht grade Sinn machen würde, der Festbrennweite einen Zoomring zu verpassen, hat Fujifilm Platz für den üblichen Blendenring. Ein Markenzeichen des Herstellers, das richtig Spaß macht, zu benutzen wenn es einmal in Fleisch und Blut über gegangen ist.

Auffällig ist auch eine zweite Beschriftung in der Nähe des Blendenrings. Die roten Zahlen wiederholen die weiße Blendenreihe, allerdings leicht versetzt. Da hat sich allerdings niemand vertan oder wollte den freien Platz vollkriegen, sondern das hat tatsächlich einen Sinn.

Eigenschaften

hands-on_fujinon-56mmf12apdAlso schön, was haben wir hier?
Die 56 aufgedruckten Millimeter entsprechen an einer Fujifilm X-Kamera 85 Millimeter. Die Lichtstärke beträgt fantastische f1,2 und das Teil hat einen Autofokus.
Also was haben wir hier?
Na?
Von den Werten her ist das Fujinon XF56mmF1.2 R APD eine begehrenswerte Schönheit von einer perfekten Porträtlinse. Aber es kommt noch besser…

Es hat natürlich einen Grund, warum Fotografen längere Brennweiten mit sehr hoher Lichtstärke lieben: wegen des wundervollen Bokeh-Effekts. Also wegen der Anmutung des Bereichs, der in einem Bild unscharf hinter einem freigestellten Motiv ruht. Je gleichmäßiger und Leinwand-artiger dieser Bereich ist, desto malerischer und konzentrierter wirkt die Freistellung. Mit Blende f1,2 ist das praktisch keine Frage mehr – viel mehr gefühlte Dichte eines Bilds kann man bei der Brennweite nicht erreichen.

Fujifilm wollte trotzdem noch mehr und baute einen Apodisationsfilter ein, der im Namen des Objektivs mit APD abgekürzt wird. Das gab es früher schonmal bei Minolta sowie bei einem Sony-Objektiv, das ein Nachbau des Minolta war. Im Grunde handelt es sich bei dem Filter um Grauglas, das dafür sorgt, dass die „Unschärfescheibchen“ im Bokeh-Bereich eines Fotos noch weicher und der Bokeh-Bereich selbst irgendwie nebliger wirkt. Fujifilm beschreibt das so:

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Der Filter hat zwei Nachteile: erstens, man kann ihn nicht mit einem Autofokus kombinieren. Zweitens: es geht Lichtstärke verloren. Das erste Problem hat Fujifilm gelöst und damit einen gewaltigen Schritt nach vorn gemacht. Denn so ist es erstmals möglich, diesen traumhaften Effekt auch an Autofokusobjektiven zu nutzen. Der zweite Nachteil ist eigentlich schon länger keiner mehr, seit es rauschärmere Sensoren gibt. Der Sensor der X-T1 Graphit Silber, mit der ich unterwegs war, ist so einer.

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Fujinon XF56mmF1.2 R APD; ISO 1.600, 1/10 Sekunde aus der Hand, f11
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Fujinon XF56mmF1.2 R APD; ISO 1.600, 1/90 Sekunde aus der Hand, f4
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Fujinon XF56mmF1.2 R APD; ISO 1.600, 1/680 Sekunde aus der Hand, f1,2

Das Problem der geringeren Lichtstärke kann man kompensieren, wurde aber nicht direkt gelöst – darum findet sich eben auch die zweite Blendenreihe auf dem Objektiv. Die roten Zahlen entsprechen der Lichtmenge, die durch kommt, wenn man den APD-Filter berücksichtigt.

Performance

Wer sich ein bisschen auskennt, braucht nur diesen Satz von mir als Bewertung: Es ist ein 85-Millimeter-Porträtobjektiv mit 1:1,2 Lichtstärke und APD-Filter, hallo!?

Ich will damit sagen: Der Bildeindruck ist umwerfend. Ich habe selbst ein f1,2-Objektiv und finde den Look traumhaft. Es ist als manuelles Objektiv aber auch anspruchsvoller in der Benutzung. Vor allem an einer SLR. Das neue Fujinon hebelt alle diese Nachteile aus. Es bietet ein extrem dicht wirkendes Bild, stellt selbst scharf und in Verbindung mit der Kontrastmessung der X-T1 auch noch unheimlich flott. Nicht ganz so flott wie ein sportliches Tele, aber gerade bei der Menschenfotografie ausreichend.

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Links das komplette Bild, rechts zwei Ausschnitte. Der obere zeigt die typische Randunschärfe in Kombination mit chromatischen Aberrationen am äußersten Bildrand. Der untere Ausschnitt zeigt knackige Schärfe in der Nähe der Bildmitte.

Natürlich hat eine solch extreme Linsenkonstruktion auch mit Bildfehlern zu kämpfen. Diese bewegen sich insgesamt aber auf verdächtig geringem Niveau. Man kennt es von solch lichtstarken Objektiven, dass sie bei f1,2 komplett matschig sind oder man das Gefühl hat, durch einen Schmierfilm fotografiert zu haben. Das ist relativ normal und verschwindet allerspätestens ab f2.

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Links das Original-Bild, rechts eine 100-Prozent-Vergrößerung. Darauf seht ihr eine ganze Menge. Erstens, dass das neue Fujinon selbst bei Blende f1,2 überraschend scharf ist. Zweitens seht ihr eine leichte chromatische Aberration auf der Längsachse am Rand des Schnees. Schwer zu korrigieren (vom Glas) und eine absolute Extremsituation in diesem Fall. Drittens seht ihr den unverschämt lecker weichgezeichneten Bokeh-Bereich.

Nicht ganz so beim Fuji. Das ist bereits bei f1,2 zwar immer noch weich, aber auch vergleichsweise sehr scharf. Abgeblendet wird es dann schon gefährlich scharf. Das trifft überwiegend auf die Bildmitte zu, denn ein geübtes Fotografenauge kann durchaus einen Unterschied zwischen ihr und den Bildrändern erkennen. Chromatische Aberrationen auf der Querachse gibt es fast keine, auf der Längsachse dagegen schon. Diese sind aber auch äußerst schwer zu korrigieren. Wie gesagt: blendet man ab, verschwindet fast alles davon.

Fazit

Ich sags nochmal: Es ist ein 85-Millimeter-Porträtobjektiv mit 1:1,2 Lichtstärke und APD-Filter, hallo!?

Im Ernst, die Fujifilm X-T1 und das Fujinon XF56mmF1.2 R APD sind eine echte Traumkombi für die Porträtfotografie. Zugegeben: Modelfotos im Studio und viele draußen entstehen mit weit mehr als einer Blende von f1,2. Einfach, weil man höhere Schärfentiefe und knackige Bilder braucht. Aber wer auf den träumerischen, künstlerischen und schmuseligen Look steht, liebt diese Kombination aus Brennweite, Lichtstärke und APD-Extra.

Und dann noch das ganze mit funktionierendem AF – zum Ausflippen!

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Mehr!

  • Die Bilder oben kann man sich hier in Originalauflösung anschauen.
  • Weitere voll aufgelöste Bilder zu meinen Hands On-Berichten sind hier zu finden.
  • Mehr Hands on-Berichte selbst zu verschiedensten Kameras und Objektiven gibt es hier.
  • Ausgewählte Arbeiten im mworkz.portfolio

4 Gedanken zu „Hands on: Fujinon XF 56mm F1.2 R APD“

  1. Sorry Triton, das ist nur zum Teil richtig. Bzgl. der Schärfentiefe hast Du recht. Bzgl. der Lichtstärke d.h. der daraus resultierenden Belichtungszeit sind 1.2 Öffnung unabhängig vom Sensorformat 1.2.

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