#gettoknowyourcamera: Technik-Tipps, um mehr aus der Kamera herauszuholen. Heute wird es physikalisch.
In den vorangegangenen Artikeln dieser Serie haben wir uns damit beschäftigt, wie man schärfere Bilder bekommt. Nicht, indem man sich eine neue und bessere Kamera kauft, sondern seine eigene besser verstehen lernt. In dasselbe Horn blase ich heute erneut und verrate einigen von euch vielleicht etwas Neues, wenn ich erkläre, in welchem genau definierten Bereich eure Systemkamera die maximale Schärfeleistung bringt.
Schön vs. Matschig vs. Scharf
In „Schärfe I“ ging es eher um das subjektive Gestalten von scharfen Bildern, indem man zB bei Porträts das Model freistellt. Dabei stießen wir auf die Verwendung einer weit geöffneten Blende, was eine kurze Schärfeebene zur Folge hat. Aber auch einen schönen „Porträt-Effekt“.
Heute bekommt ihr von mir die ernüchternde Wahrheit präsentiert: Diese Bilder sind in den meisten dieser Fälle nicht wirklich scharf. Nicht auf objektiver, auf messtechnischer Ebene. Sie sehen nur danach aus. Und sicher ist euch auch schon aufgefallen, dass Fotos, die mit stark geschlossener Blende aufgenommen wurden, irgendwie weicher wirken? Irgendwie matschiger?
Das hat einen Grund. Bei lichtstarken Objektiven und Offenblende ist es die Randunschärfe. Bei weit geschlossenen Blenden ist es die Beugungsunschärfe.
Randunschärfe
Stellt euch mal eine simple Systemkamera mit Objektiv von der Seite vor. Um euch dabei zu helfen, habe ich hier mal eine extrem detaillierte Darstellung vorbereitet:
Lichtstrahlen (im Bild selbstverständlich grün, warum auch nicht?) ballern durch die Linse ins Innere des Objektivs und von dort auf den Kamerasensor. Das ist solange perfekt, wie euer Objektiv nur eine Linse hat und die Lichtstrahlen äußerst gleichmäßig und möglichst gerade bei ihr eintreffen. Wie wir wissen, ist das nur selten der Fall. Genauer gesagt, praktisch nie.
Das liegt nicht nur am Motiv, also den Lichtstrahlen, sondern kann auch an der Linse liegen. Bei Weitwinkelobjektiven oder besonders lichtstarken Konstruktionen, sieht das etwa so aus:
Extrem lichtstarke Objektive besitzen sehr große und zuweilen stärker gewölbte Linsenelemente. Sie sammeln alle Photonen ein, die sie nur kriegen können und kratzen diese noch von den äußersten Randbereichen zusammen (roter Strahl). Dadurch tauchen allerdings Probleme auf und die eingekreisten Bereiche werden zu Kriegsgebieten, an denen es heißt: Technik vs. Physik.
Vorne an der Linse treffen die Lichtstrahlen so schräg ein, dass sie stark umgelenkt werden müssen. Das gelingt nur mit einer perfekten Linse. Ist sie es nicht, dann trifft der Lichtstrahl schräg auf den Sensor. Er landet dann nicht zielgenau in einem Pixel, sondern es kann passieren, dass er so schräg auf den Sensor trifft, dass er sogar einen Pixel anschnippelt und noch auf einen weiteren trifft. Beide Umstände führen zu haarsträubenden Katastrophen.
Man nennt es auch die „Randunschärfe“ eines Objektivs. Katastrophal, weil es ein optischer Fehler ist, denn man nachträglich nicht korrigieren kann. Entweder das Objektiv leistet es oder niemand.
Mittenschärfe?
Ist euch aufgefallen, dass auf meinen lebenstreuen Skizzen oben der Strahl in der Mitte genau waagerecht ist? Hier treten bei einer Linse die wenigsten Verzerrungen auf, der Strahl fällt am meisten gerade auf den Sensor und produziert daher auch die wenigsten Fehler. Daraus ist zu folgern, dass in der Mitte eines Objektivs der störungsfreieste und damit auch schärfste Punkt ist.
Übertrieben gut sieht man das auf dem Bild, das ich mit dem Lomography Petzval geschossen habe:
Beugungsunschärfe
An der Beugungsunschärfe ist die Blende schuld. Bei ihr passiert etwas ganz ähnliches wie bei den oben genannten, extrem gekrümmten Linsen.
Die weiter geschlossene Blende wirkt sich unmittelbar auf den Strahlengang aus und „quetscht“ ihn zusammen. Die Lichtstrahlen müssen sich drum herum mogeln. Sie werden eben gebeugt, sind nicht mehr unverändert klar und das produziert Fehler. Auch hier am Rand stärker als in der Mitte.
Zusammengefasst
Äußerst lichtstarke Objektive liefern bei maximaler Offenblende nicht das schärfste Bild. Vor allem nicht am Rand, denn das Kreuz und Quer der eintreffenden Lichtstrahlen führt zu Abbildungsfehlern und einer ganz zarten Unschärfe in den Fotos. Abblenden hilft und macht die Fotos schärfer.
Blendet man zu stark ab, gelangt man in den Bereich der Beugungsunschärfe. Die Lichtstrahlen werden gequetscht, gelangen nicht mehr ordentlich auf den Sensor und auch hier sinkt die maximal erreichbare Auflösung eines Fotos.
Will man ultraknackscharfe Fotos, sollte man mit mittlerer Blende fotografieren. Der schärfste Punkt mit den wenigsten Fehlern wird immer genau in der Bildmitte liegen. Falls das Objektiv zu einer Abdunklung an den Rändern neigt (Vignettierung) ist auch diese in der Bildmitte am geringsten.
Je nach Objektiv ist die Blende, bei der die höchste Bildauflösung erreicht wird, eine andere. Mal ist es f4, sehr häufig f5,6. Bei Porträtobjektiven kann der Punkt sogar mal bei „erst“ f8 erreicht sein. Welche Blende für euer Objektiv die richtige ist, könnt ihr herausfinden. Fotografiert einen harten Schwarzweiß-Kontrast (eine Buchseite zum Beispiel) einmal mit jeder Blende. Zoomt in die Bilder dann an jeweils der selben Stelle hinein und schaut, wann ihr die schärfsten Kanten findet.
Tip: Test-Charts zum Ausdrucken und abfotografieren gibt es auch im Internet. Zum Beispiel das hier von Bob Atkins oder hier bei Jeffrey Friedel. Achtet nur darauf, dass ihr einen wirklich guten Drucker benutzt.
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Bei soviel Vereinfachung bis hin zur falschen Darstellung frage ich mich, wieso nicht eine Liste mit Links zu Seiten, wo sich jemand viel Mühe gegeben hat, das richtig zu erklären? Ich glaube zwar nicht, dass in einschlägigen Foren nun ganze Horden MZWORKS blog Leser auftauchen werden und sagen „Mario hat das aber anders erklärt“. Oder „Mario hat gesagt, die beste Blende sei 4 oder auch mal 5.6, mein 18-300 geht aber im Telebereich nur bis 6.3, muss ich dann Weitwinkel machen?“
Warum nicht einfach, wie alle, erklären: 2 Blenden schliessen und gut ist?
Und wenn man herausfinden muss, wie das eigene Objektiv entgegen seiner sieben Dutzend Kollegen, die quer durchs Netz getestet und „getestet“ wurden, beim Knipsen von Testbildern abschneidet – das ist ja wirklich unerlässlich für eine steile Fotografenkarriere – gehören noch ein paar andere kleine Details dazu. Stativ und rechtwinklige Ausrichtung und gleichmässige Beleuchtung einer auf mattem Papier ausgedruckten Testtafel, gern A4 oder auch A5 gross. Aber gut, das ist dann wieder Stoff für eine weitere Fortsetzung „Schärfe XIII“ oder so.
Abgesehen von meinem ironischen Kommentar verstehe ich nun wirklich nicht, weshalb es noch eine Internetfüllung zu Schärfe braucht und Du Zeit aufwendest für Grafiken, die nicht das wiedergeben, was passiert?
Hallo JoJu!
Stimmt schon, das Internet ist voll mit „wie mache ich schärfere Bilder?“. Aber in meiner Erfahrung suchen die Leute weniger gern, sie finden lieber. Und Leuten, die hier lesen und darüber noch nichts wissen, wollte ich etwas zu finden geben.
Die meisten bevorzugen dann auch noch eine ganz kleine, ganz knappe Erklärung, die sie schnell verstehen und leicht umsetzen können. Da fehlt oft auch schon die Motivation, sich durch eine Liste von 15 Links zu klicken und die nachführenden Seiten durchzuschauen. Entsprechend darfst du hier gar nicht kommentieren, denn für dich ist der Artikel gar nicht :P
Klar hätte ich auch schreiben können: „2 Blenden schliessen und gut ist“. Das stimmt aber nicht immer. Ich könnte das als Pi-mal-Daumen-Regel kennzeichnen, aber damit ist auch keinem geholfen. Die Zeiss Loxias zB sind schon bei Offenblende sehr scharf – bis 2 Blenden weniger tut sich da von der Auflösung kaum noch etwas. Zumindest nichts, was man sehen könnte. Das Otus ist bei f1,4 schärfer als alle anderen Objektive, die ich kenne, erreicht das Maximum aber erst bei Blende f8. Bei den meisten anderen Objektiven, die ich so kenne, trifft die Regel aber fast immer zu.
Ich wollte das in diesem Artikel nicht alles aufdröseln und ein endloses Pamphlet schreiben, sondern den Leuten eine Ahnung von Einflüssen vermitteln, die eine Rolle spielen können. Viele fotografierende Leute, die ich kenne, haben keinen Idee davon, welche optischen Faktoren sich auf das Bild auswirken können. Sie kommen damit auch nicht in Versuchung, nachzuschauen und wundern sich stattdessen eher oder schieben es auf ihre „alte“ Kamera, die sie ja immerhin schon vor sechs Monaten im Elektro-Discounter gekauft haben.
Darum habe ich auch den Teil ausgespart, der auf das korrekte Ablichten eines Testcharts eingeht. Dass ein Stativ eine gute Idee ist, wenn man scharfe (unverwackelte) Bilder möchte, habe ich früher schon geschrieben.
Ich nehme mir deine Kritik aber zu Herzen. Gerade wenn ich das Thema nur oberflächlich anreiße, macht eine Sammlung zu weiterführendem Lesestoff durchaus Sinn.
Gruß,
Mario