Endlich mal wieder ein Objektiv-Hands-on! Das musste ich unbedingt dazwischen schieben, bevor es Neues zu zwei spannenden Kameras zu berichten geben wird.
Tamron konnte im Gegensatz zum Hauptkonkurrenten Sigma in letzter Zeit eher weniger mit spannenden Produkten aufwarten. Doch vor wenigen Wochen tat sich endlich wieder etwas. Gleich drei neue Objektive kündigte man an. Darunter das verschollen geglaubte Superzoom für MFT-Kameras, ein höchst interessantes 28-300mm für Vollformatkameras und das 16-300mm F/3.5-6.3 Di II VC PZD.
Eindruck
Das frische 16-300mm-Superzoom ist der Nachfolger im Geiste des 18-270mm für APS-C-Kameras, das wiederum ein direkter Nachfolger des einstigen 18-200mm ist. Man sieht, dass sich da ein Trend abzeichnet, oder?
Tamron verkleinert seine Optiken, das ist an allen neuen Modellen zu spüren. Auch, wenn das Unternehmen nicht einen extra Marketing-Begriff á la „Global Vision“ drauf klebt. Und dann versucht Tamron auch noch, „mehr Zoom“ rauszuholen. Denn das gehört offenbar zur aktuellen Produktstrategie. Einige Millimeter mehr an beiden Enden ist das Ergebnis der aktuellen Linsenkonstruktion, die damit auf einen fast 19-fachen Zoom und die größte Brennweitenabdeckung kommt, die momentan für SLR-Kameras erhältlich ist.
Von der Gestalt her gefällt das neue Tamron jedenfalls. Zufällig habe ich ein 24-70er für das Nikon Vollformat ebenfalls rumliegen und das ist deutlich größer als Tamrons Superzoom. Ja, es ist massiv aber mit rund 500 Gramm nicht ungewohnt schwer. Ganz leicht zwar auch nicht, aber wenn es die einzige Optik ist, die ich mitnehmen muss, geht das wohl in Ordnung. Recht schwerfällig ist das Zoomen, was allerdings für gewöhnlich ein gutes Zeichen ist. Vergrößern während dem Filmen ist damit zwar nicht empfehlenswert aber es fühlt sich hochwertig an und alles andere als billig ausgeleiert.
Eigenschaften
Ja, was willste in Sachen Lichtstärke bei so einem extremen Zoom erwarten? Blende 3,5 bei 16 Millimetern ist ja schon ganz gut und eigentlich Standard. Blende 6,3 bei 300 Millimetern ist … okay. Klar, 5,6 wäre schöner gewesen. Ich, der ich momentan nur mit einer F1,8/50-Millimeter-Festbrennweite arbeite, muss mich erstmal umgewöhnen und darauf achten, dass ich auch mal die ISO hochdrehen muss, um schnelle Verschlusszeiten zu erreichen. Denn unter eine hundertstel Sekunde sollte man im maximalen Tele nicht unbedingt gehen. Der Bildstabilisator ist gut, aber auch nicht übernatürlich gut – irgendwo gibt es Grenzen. Dennoch war ich positiv überrascht, denn obwohl das Bild durch den Stabi im Sucher deutlich schwankt, ist das Foto am Ende problemlos scharf.
Geil ist auf jeden Fall die Makro-Fotografie mit dem Tamron. Die Naheinstellgrenze liegt bei 39 Zentimetern und da diese vom Objekt bis zum Sensor gemessen wird, kann man bis auf – sagen wir – 8 Zentimeter an ein Motiv ran. Der Abbildungsmaßstab beträgt dann 1:2.9, was sehr gut ist – ab 1:1 wäre es nämlich ein waschechtes Makroobjektiv.
Performance
Man muss es nochmal betonen: der fast 19fache Zoombereich ist wirklich extrem. Der fängt vermutlich alles ein, was einem im Urlaub nicht rechtzeitig aus dem Bild springen kann und deckt enorm viele Aufnahmesituationen ab. Entsprechend extrem muss die Leistung der Linsen sein. Genau hier hapert es ein wenig im Telebereich.
Weitwinkel: kein Ding. Mittlerer bis unterer Tele: prima. Im maximalen Telebereich von 300 Millimetern allerdings beginnen chromatische Aberrationen im Randbereich aufzuflackern, die man auch sehen kann. Und der gesamte Bildeindruck wird weicher, weil die Schärfe langsam flöten geht. Auch das kann man sehen, fällt Laien aber vermutlich nicht auf. Mechanik und Elektronik dagegen arbeiten tadellos und flott – nicht zuletzt der Bildstabilisator, der im Tele ganz einfach Pflicht ist.
Auf dem Stativ sollte man ihn zwar wie gewohnt abschalten, doch selbst hier dauert es fast 8 Sekunden, bis sich die 300 Millimeter ausgependelt haben und Ruhe eingekehrt ist, nachdem man auf den Auslöser gedrückt hat. Aber gut, das sind die Herausforderungen einer Telebrennweite. Dafür kann ich die Nachbarskatze großformatig dabei fotografieren, wie sie wieder das Blumenbeet am anderen Ende der Stadt umgräbt.
Fazit
Hauptzielgruppe des neuen Tamron sind die Urlaubs-Allround-Fotografen, die nur ein Objektiv mitnehmen und damit alles machen wollen. Nebenzielgruppe sind APS-C-Nutzer, die sich freuen, dass es ein Objektiv gibt, „das so viel kann“ und dann auch noch zwei andere ersetzt. Auch die dürfen zugreifen. Alle anderen sind lieber erstmal vorsichtig und machen sich den Unterschied klar, warum ein solch extremes Superzoom auch Kompromisse erfordert. Wenn sie mit Qualitätseinbußen im Telebereich leben können, dann gut. Alle anderen nehmen lieber zwei Objektive.
Die Flexibilität eines 19fachen Zooms ist großartig, doch für mich ist das 16-300er die äußerste Schmerzgrenze in Sachen Brennweitenbereich und eigentlich nicht mehr empfehlenswert.
Mehr!
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Sehr schön :) Wieder ein Hands-on Artikel .. die lese ich bei dir immer sehr gern. Und es kommen noch 2 weitere zu neuen Kameras? Na da freue ich mich doch jetzt schon drauf ;-)
Ich mich auch – Nummer 1 ging ja heute online – eine ungewöhnliche neue mit einem großen Herz. Nummer 2 kommt vermutlich nächste Woche – eine schnittige Arbeitswütige mit noch größerem Herzen.
Und gerade frisch blinzelt mich noch eine Nummer 3 an, die ich hoffentlich auch noch schaffe, denn die ist ebenfalls spannend.
P.S. Nur das mit dem Bildstabilisator und dessen ausschalten bei Verwendung eines Statives habe ich noch nicht wirklich verstanden. Habe zwar gerade nochmal in Foren geschaut, aber die Erläuterungen leuchteten mir nicht so wirklich ein. Warum zeigt sich bei eingeschaltetem eine Unschärfe? Wenn die KAmera auf dem Stativ in Ruhe ist, warum dann die Unschärfe?
Der Verzicht auf einen Stabi bei Stativ ist eine Generalempfehlung – sie muss nicht immer zutreffen. Hast du eine 90mm-Optik auf ein Dreibein geschnallt, ist es fast egal. Hast du aber eine 500-Millimeter-Tonne drauf, dann ist das ganze viel empfindlicher.
Ein Ultratele ist extrem empfindlich, selbst das Vorbeigehen an einem Stativ oder ein vorbeifahrendes Auto in der Nähe lassen das Bild vibrieren. Ein stabiles Stativ ist sperrig und starr – die Schwingung wird absorbiert oder schnell gestoppt. Der Stabi jedoch rührt und rudert herum, denn er ist ebenfalls enorm empfindlich und gleicht Bewegungen aus, die dank schneller Verschlusszeit vielleicht gar keine Rolle spielen. Er absorbiert nicht, sondert steuert gegen. Und das mitunter dann noch, wenn du gerade ein Foto machst.
Gruß, ml