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Schwarzweiß verstehen, Teil 1

#learnphotography: Nach der Ankündigung am Mittwoch geht es nun los mit meiner Artikelreihe rund um das Thema “Schwarzweiß verstehen”.

Das ist natürlich ein gewaltiges Thema und eigentlich wollte ich auch keine 15-teilige Artikelreihe daraus machen. Darum nehme ich die Frage von bildervomwolter zum Anlass, die er in den Kommentaren formuliert hat:
Schwarzweiß: Ob und wann, wann auf keinen Fall.

Die Frage lässt sich tierisch einfach beantworten:
Ob? Ja klar, gerne!
Wann? Wenn es Sinn macht!
Wann auf keinen Fall? Wenn es keinen Sinn macht.

Jut, jetzt wisst ihr Bescheid und seid gewappnet. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! :)
Okay, Spaß beiseite – das war kein Nonsens, was ich oben geschrieben habe. Lasst mich euch zur Erklärung noch ein Zitat liefern – bevor es richtig losgeht – das mir selbst als ultimativer Leitfaden für die Fotografie dient:

“Wenn du nichts zu sagen hast, sag nichts.”, Mark Twain.

Dasselbe gilt für Bilder. Das ist es, was ein Schnappschuss von einer Fotografie unterscheidet. Das ist der Punkt, der darüber entscheidet, ob wir ein Bild wahrnehmen oder es uns wirklich anschauen. Ein Bild sollte eine Aussage haben, um überhaupt relevant zu sein. Und das kann man als Dreh- und Angelpunkt für die Entscheidung nutzen, um ein Foto in Farbe oder Schwarzweiß zu schießen.

Vergesst den Bullshit, dass Porträts nur in Schwarzweiß geil aussehen. Ignoriert die Aussage, dass Schwarzweiß besonders hochwertig oder künstlerisch wirken würde. Lasst euch bloß nicht sagen, dass man Sonnenuntergänge nur in Farbe rüber bringen könnte.
Es geht nicht um Bunt oder Unbunt. Es geht um Wirkung!

Eigentlich müsste ich an dieser Stelle ein gewaltiges Fass aufmachen in dem viel Schmodder rumsuppt, den man “Bildwirkung” nennt und erklären, wie diese zustande kommt. Das spare ich mir jetzt aber, um diesen Artikel nicht ins Universum zu sprengen und mache eventuell mal was eigenes dazu, wenn ihr wollt (Ich habe in “Harmonie sehen” auch schonmal drüber geschrieben). Stattdessen schneide ich das Thema nur an, wo es für das “Schwarzweiß verstehen” sinnvoll erscheint.

Details

Eine der supervergoldeten Regeln der Fotografie lautet: weniger ist mehr. Nehmt nicht alles aufs Bild, beschneidet, selektiert, stellt frei und reduziert! Ihr werdet feststellen, dass ein sparsames Bild automatisch spannender wird.

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Warum? Weil es den Betrachter nicht verwirrt. Je einfacher und schneller Formen erfasst werden können, desto mehr “freut” sich das Auge darüber.
Ihr wollt eine Geschichte erzählen oder nicht? Also eiert nicht rum und plaudert um den heißen Brei, sondern kommt zum Punkt und fasst zusammen. Damit lernt ihr eine wichtige Lektion, die vor allem in der Schwarzweißfotografie wertvoll ist.

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Hinzu kommt, dass bei einer enormen Detailfülle die Farbe vom Gehirn als Variable zur Orientierung heran gezogen wird. Aufgrund der Färbung werden Flächen eingeteilt, Perspektiven erkannt, die Tageszeit eingeschätzt und der Lichteinfall beurteilt.
Wenn es sich also um Motive handelt, die dermaßen detailliert sind, dass zum Erkennen solche Informationen nötig sind, dann muss das Bild in Farbe sein. Und umgekehrt gilt: ist das (sparsame) Motiv so einfach zu erkennen, dass die Informationen auch ohne Farbe ausreichen – dann darf es auch ohne Farbe daherkommen.

Tiefe

Oben habe ich es bereits angedeutet: mit dem Verlust von Farbe ist unter Umständen ein Verlust des Gefühls für Tiefe und Räumlichkeit verbunden. Das lässt sich schön an diesem Beispiel sehen. Einer Frontalaufnahme des Rands einer Lichtung bei Nebel:

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Der diffuse Nebelschleier zwischen Kamera und Motiv sorgt für eine Dämpfung und gleichmäßige Farben. Die vielen Blätter und die wenigen Farben machen das Erkennen schwer, aber das flaue Grün und die braunen Stämme helfen beim Erkennen. Eine simple Wandlung in Schwarzweiß (rechts) zerstört das komplette Motiv. Weder ist eine Stimmung zu erkennen, noch ist die Tiefe des Bildes spürbar. Und das kränkliche Grau, das überall verteilt ist, langweilt das Auge zu Tode.
Aber Schwarzweiß ist nicht gleich Schwarzweiß. Schwarzweiß ist in der Fotografie vor allem Kontraste. Und setzt man die ein, erzählt das Bild plötzlich eine Geschichte:

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Während oben noch Fetzen von Licht durch die Stämme schimmern, breitet sich knapp darunter ein dichtes Blätterdach aus, das den finsteren Waldboden abtrennt. Im unteren Drittel des Fotos wird der Blick des Betrachters schließlich in die dunkle Höhle hinein gesogen und in seinem Kopf stellt er sich die Frage, was in den Schatten alles lauern könnte.

Die Schwarzweiß-Wandlung unterstreicht in diesem Fall also den Charakter des Bilds. Es formt ihn vielleicht sogar erst. Und das ist der Grund, warum man es in Schwarzweiß wandeln könnte. Wir haben also mithilfe von Schwarzweiß die Tiefe des Bildes herausgearbeitet und damit eine Bildaussage kreiert. Das funktioniert immer dann sehr gut, wenn deutliche Kontraste im Motiv vorherrschen. Das nächste Beispiel zeigt, dass man das aber mit Vorsicht genießen muss. Denn wie gesagt, das Spiel mit der Tiefe lässt sich nur schwer monochrom umsetzen.

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Und es funktioniert nicht immer! Das Foto ganz links ist die Originalaufnahme. Es vermittelt bereits die Tiefe des Motivs, die es herauszuarbeiten gilt. Die Schwarzweiß-Wandlung (mit Blaufilter) daneben macht das schon ganz gut, denn es trennt den Vordergrund vom Hintergrund und erhält den Nebel. Aber es wirkt extrem düster und der Vordergrund verschmilzt unten links mit dem Hintergrund. Auch der Boden ist eine einzige Fläche ohne Tiefenwirkung.
Die übertriebenen Farben der rechten Variante bringen es schließlich auf den Punkt und alles ist sauber getrennt: der Vordergrund, der neblige Hintergrund, der Boden, das Licht auf dem Boden – alles setzt sich voneinander ab und bringt Aspekte ins Bild, die in der Schwarzweiß-Version verloren gegangen wären.

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Und hier? Hier funktioniert das Motiv plötzlich in Schwarzweiß wieder. Es ist sogar noch atmosphärischer als die Farbvariante. Wie kann das sein?
Ganz einfach: weil die Kontraste das Motiv definieren und davon profitiert das Schwarzweißfoto.

Fazit

Es ist offensichtlich, doch muss man das erstmal verinnerlichen: Für die Schwarzweißfotografie ist Reduktion wichtig. Immerhin geht es um den Verzicht von Farben, aber was das für das Motiv bedeutet, muss man erst durchdenken: weniger Details, eindeutige Motive und klar definierte Tiefe.

Im nächsten Teil dieser Artikelreihe schauen wir uns die wesentlichen Gestaltungswerkzeuge für Schwarzweißfotos an: Kontraste, Muster und Formen.

Mehr!

  • Alle Artikel zu diesem Thema hier.
  • Weitere, ausführliche Artikel rund um das Thema „Fotografie lernen“ findet ihr hier.
  • Schnelle Tipps und Hinweise habe ich hier zusammmengetragen.
  • Ob ich nur Mist erzähle oder doch ein wenig Ahnung von Schwarzweißfotografie habe, könnt ihr selbst beurteilen.

8 Gedanken zu „Schwarzweiß verstehen, Teil 1“

  1. Ja, der Mark Twain war ein kluger Mensch. Danke das Du meine Anregung aufgenommen hast, genau so hab ich mir das vorgestellt, ein paar schöne Beispiele und Deine Gedanken dazu. Über Deine Tips wird sich wohl Jeder freuen. Klasse.

    1. wolter!

      Ja, aber klar doch – hat mich angeregt, mal richtig über das Thema nachzudenken. Darum ist es auch etwas ausgeufert – ich fand‘ dass man für „gute Bilder“ etwas früher anfangen müsste.

      Aber freut mich, wenn das zu deinen Vorstellungen passt.

      Gruß, ml

  2. Hey ml,
    wieder was gelernt, finde das sehr gut, dass man auch als „Foto-Laie“ etwas dazu lernen kann und du schnell auf den Punkt kommst ohne dich in endloser Fotophilosophie zu verlieren, wie das bei vielen anderen Blogern oft der Fall ist.

    Grüßle,
    David

    1. Hi David!

      Da aber vielen Dank für das nette Kompliment! :) Niemand ist unfehlbar – auch ich philoschwafele mal rum, dann warne ich aber vorab davor. Vor allem Tutorials breite ich gern bis in alle Ewigkeiten aus, damit sie nachvollziehbar sind.

      Es gibt halt unglaublich viele (und heute noch mehr als früher) Leute da draußen, die Laien sind und sich alles selbst beibringen. So wie ich einst. Darum soll es für die auch verständlich sein. Wenn du Feedback oder Themenwünsche hast – dann her damit. :)

      Gruß, ml

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