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Hands on: Nikon D4s

Eigentlich sollte an dieser Stelle heute eine andere Kamera im Mittelpunkt stehen. Doch dann kam mir die Nikon D4s in die Hände geflattert. Und das ist eine ausdrucksstarke Dame, der man sich besser nicht widersetzt und ihr seine Aufmerksamkeit widmet.

hands-on_nikon-d4s_teaser

Ihr alle kennt diesen Spruch: Nicht die Kamera macht das Bild, sondern der Fotograf. Wirklich? Die Nikon D4s gibt einem das Gefühl, dass es genau anders herum ist. Sie fühlt sich an, als braucht sie dich nur, um den Auslöser zu drücken. Denn sie will dieses Foto! Sie will es unbedingt!

Dass es bereits jetzt eine neue Version von Nikons Flaggschiff geben würde, war trotz der Gerüchte Anfang des Jahres relativ überraschend. Immerhin wurde die Vorgängerin, D4, erst im Januar 2012 eingeführt. Und Kameras in diesem Segment habe eine Generationenfolge von mehreren Jahren. Ebenfalls etwas überraschend – aber nicht sehr – war, dass die D4s im Grunde nur Detailverbesserungen bietet. Völlig umgekrempelt hat man die Kamera nicht. Aber ehrlich gesagt – dazu gibt es auch nicht viel Anlass.

Eindruck

hands-on_nikon-d4s_front-leftSieht man die Nikon D4s zum ersten Mal in Lebensgröße, fühlt man sich verrucht angegrinst. Der Vollmetall-Body ist identisch zur Vorgängerin, wirkt wuchtig und liegt dabei extrem gut in der Hand. Für mich überraschend: Die Kamera ist leichter als sie aussieht. Meine D800 mit angesetztem Batteriegriff ist einen Hauch schwerer als die D4s. Darüber hinaus hat man an der Versiegelung gefeilt, um das Gerät noch unempfindlicher gegen Witterungsbedingungen zu machen.

Tip: Wer starke Nerven hat, sollte sich mal dieses Video anschauen. Dort seht ihr, was eine Nikon-Kamera mit nur einer Zahl im Namen auszuhalten imstande ist. Danach werdet ihr keinen Zweifel mehr daran haben, für was und wen diese Kamera gedacht ist.

Der professionelle Aspekt der Nikon äußert sich in vielen Details. Die Anordnung und das Verhalten der Tasten etwa wurde angepasst. Man hat zum Beispiel zwei Joysticks an der Rückseite, mit denen man sich rasant durch Menüs hangeln kann oder eines der 51 Autofokus-Messfelder oder ganze Feldgruppen durchschalten kann. Neben verbleibenden Bildern zählt die Kamera im Menü auch  die bereits geschossenen und zur Datenübertragung steht unter anderem eine direkte Gigabit-Ethernet-Schnittstelle zur Verfügung. Damit kann man Fotos und Videos mit bis zu 1.000 Mb pro Sekunde direkt durch das Kabel auf einen externen Rechner pumpen. WLAN kann das gute Stück immer noch nicht, ist aber zu einem entsprechenden Adapter kompatibel.

Eigenschaften

hands-on_nikon-d4s_backNikon hat nicht an der Megapixelschraube gedreht. Das ist schonmal vielversprechend. Aber auch zwingend nötig, wenn man einen superleichten Sportwagen baut, der konsequent auf Leistung getrimmt ist. Trotzdem hat man an dem 16-Megapixel-Sensor Hand angelegt. Er soll nun präziser und empfindlicher sein. Letzteres ist wörtlich zu nehmen, denn man hat die Lichtempfindlichkeit auf eine maximale ISO-Entsprechung von 409.600 hochgejagt.
Nein, ich habe mich nicht verschrieben. :)

Das scheint im ersten Moment natürlich ein Marketing-Gag zu sein. Ich habe es dämlicherweise auch vergessen, euch ein Beispielfoto davon zu machen, aber ihr könnt hier nachschauen, wie das aussieht. Klar, sieht nicht besonders nett aus. Aber dass das überhaupt geht, ist schon erstaunlich. Immerhin kann man so nachts Fotos von der Nachbarin machen, auch wenn sie sich im Dunkeln umzieht… :)

Mehr Helligkeit trifft übrigens auch auf den Spiegelreflexsucher zu. Der deckt 100 Prozent Bildfeld ab und ist tatsächlich überraschend brillant. Sogar im Vergleich zu meiner D800 ist er noch eine Spur heller.
Die Video-Funktionen sind eher Standard und nicht übertrieben. Mit 4K hält sich Nikon noch zurück (obwohl die Leistung ausreichend wäre), dafür kann man Full-HD mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde aufzeichnen oder das Signal in Echtzeit per HDMI ausgeben.
Zur Fütterungszeit gibt man der D4s eine CF-Karte oder eine zweite XQD-Karte zu fressen. Letztere ist beim Schreiben mit rund 120 MB pro Sekunde fast doppelt so schnell als jede andere Karte.

Performance

hands-on_nikon-d4s_front-topDie Nikon D4s ist brutal auf Geschwindigkeit ausgelegt. Die einzige SLR, die ich bisher in der Hand hatte und schneller war, war die Canon EOS 1Dx. Die musste allerdings auch den Spiegel hochgeklappt halten. Die D4s reißt ein Motiv mit bis zu 11 Bildern pro Sekunde in Stücke. Und das mit Fokusnachführung und in voller Auflösung.

Nikon hat sich noch mehr Möglichkeiten offen gelassen, das Gaspedal bis zum Boden durchzutreten. Wenn man etwa weiß, wo ein Snowboarder durch das Bild hüpft, kann man den Bereich mit einem Messfeld abdecken. Der AF verschwendet dann keine Zeit mit einer kompletten Bildanalyse und verfolgt den Sportler innerhalb der definierten Zone. Als Detailjäger hat Nikon ein Phasendetektionsmodul verwendet, das naturgemäß schneller ist als der Kontrast-Autofokus.
Um noch mehr Speed zu erreichen, kann man einen reduzierten RAW-Modus verwenden. Dabei werden unkomprimierte 4-Megapixel-Bilder geschossen, die 50 Prozent kleiner sind und sich mit etwa 185 Mb/s durch das Ethernet-Kabel brennen. Die Auflösung mag klein erscheinen, ist für die Presse- oder Fernsehberichterstattung aber ausreichend.

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Aber macht die Kamera auch schöne Bilder? Davon könnt ihr euch in diesem Artikel ja selbst überzeugen, wenn ihr meine mangelnden Fähigkeiten unbeachtet lasst. Für die D4s gilt, was auch bei den anderen Top-Modellen der Fall ist: Der Dynamikumfang ist gewaltig, die Farbtiefe beträgt 14 bit, die einzelnen Pixel auf dem Sensor sind riesig und schlucken jeden Fetzen Licht, den sie kriegen können.

Tatsächlich legte die D4s erstaunlich oft Verschlusszeiten um 1/1.000 Sekunde und schneller an den (hellen) Tag. Mit dem Finger auf dem Auslöser der Kamera ist kein Motiv sicher. Nach fünf Stunden Spaziergang hatte ich fast 1.000 Fotos durch die Leiterbahnen geprügelt und kein einziges davon war unter- oder überbelichet. Auf wenige ausgerissene Lichter kam kein einziger abgesoffener Schatten. Selbst im vollen Gegenlicht sind aus den abgedunkelten Bildbereichen mit hochgezogenen Lightroom-Helligkeitsregler noch Details rauzuholen und keine schwarzen Flächen zu finden.  Nicht ganz so begeistert hat mich dagegen der Weißabgleich. Entweder fällt die Messung enorm empfindlich aus und ändert sich daher schnell oder die Kamera liegt gern öfters mal daneben.

Fazit

Ich hätte zur Nikon D4s noch so viel mehr schwafeln können. Die Kamera ist keine Revolution auf dem SLR-Markt. Aber die Rasierklinge, auf der sie tanzt, ist verdammt dünn.
Ich muss in dem Zusammenhang auch gestehen: Mit den Bildern, die ich für diesen Artikel hier gemacht habe, war die Kamera natürlich komplett unterfordert. Die D4s will in den Dreck, steht mitten im Brennpunkt von Ereignissen und giert sabbernd nach jedem Motiv, dem sie habhaft werden kann. Wenn man einmal den Verschluss bei voller Geschwindigkeit gehört hat, hat man Mühe, sich das Grinsen wieder aus dem Gesicht zu wischen. Das klingt ein bisschen wie die Filettiergeräusche eines Sushi-Meisters, der mit seiner Klinge einen Walhai binnen einer Sekunde in Zuckerwürfelgroße Stücke zerlegt.

Völlig unmöglich? Die Nikon D4s zeigt selbst Leuten wie mir, die schon eine Menge Kameras in der Hand hatten, wieviel Luft noch nach dort oben ist, wo sie thront.

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Mehr! Die Bilder oben in Originalauflösung kann man sich hier anschauen. Weitere voll aufgelöste Bilder zu meinen Hands On-Berichten sind hier zu finden. Mehr Hands on-Berichte selbst zu verschiedensten Kameras und Objektiven gibt es hier.

20 Gedanken zu „Hands on: Nikon D4s“

  1. Wow — leider liegt sie meilenweit über meinen Möglichkeiten, aber sie würde mich begeistern… dafür würde ich sogar lernen zu fotografieren… ich liebe Kameras die alles mitmachen.
    Danke für deinen tollen Bericht.
    LG, Petra

    1. Hey Folly!

      Ich glaube, die D4s würde jeden begeistern, der sich ansatzweise für die Technik hinter der Fotografie interessiert. :) Aber man spürt auch deutlich, wenn man dem Ding nicht gewachsen ist. Die Kamera ist ein reines Arbeitstier; da gibt es keine Spielereien, keine Schnappschüsse und man lässt sie nicht liegen. Darum werden solche Geräte oft von Konfliktfotografen eingesetzt. Um Momente einzufangen, die wichtig sind und nie wieder kehren.

      Gruß, ml

  2. Du Glückspilz, das Ding hätte ich auch gerne. Als Ergänzung zur D800E. Die Hochauflösende für entschleunigtes, konzentriertes Fotografieren und das Arbeitstier für alles andere. Wäre die tolle Kombination, wenn nur das dumme Geld nicht wäre. Nun gut, dann werde ich mal wieder meinen beheizten Bettelplatz in der Fußgängerzone als zusätzliche Einnahmequelle beziehen :-D
    Gruß Stefan

    1. Haha, danke. Klar, die D4s weckt unbändige Begehrlichkeiten. Aber wenn man mit ihr arbeitet wird schnell klar, das Ding ist entweder Luxus, den ich mir leisten kann oder ein Werkzeug, mit dem ich Geld verdienen muss. Für jeden anderen ist es komplett overpowered. Schon die D800 ist recht preisintensiv, wie du anscheinend selbst weißt. Und dafür kann man sie nicht im Schrank liegen lassen, diese Teile wollen benutzt werden. Ähnlich ging es mir mit der D4s – ich habe mich ständig bei ihr entschuldigt, weil ich mit ihr „nur“ einen Spaziergang mache… :D

      Ich komm dich dann bei deinem Bettelplatz besuchen und setz mich dazu – meine Schuhe aus Babygalapagos-Schildkröten sind zwar bequem, dürfen sich aber nicht so schnell abnutzen.

      Gruß, ml

  3. Ich wäre mit diesem „Biest“ vollkommen überfordert. :-) … vermute mal, daß ich sie Pfingsten auf Helgoland am Lummenfelsen bei Basstölpel & Co. mit Sicherheit in Aktion sehen und… hören werde. ;-) Bei den Natur- und Tierfotografen scheinen solche Kameras auch sehr beliebt zu sein, wenn man das nötige Kleingeld aufbringen kann.
    LG kiki

    1. Hey Kiki!

      Jau vor allem für Tierfotografen bietet die bissige D4s optimale Voraussetzungen. Wer damit einen landenden Vogel verpasst, hat gar nicht auf den Auslöser gedrückt. :)
      Man muss die Tierfotografie aber schon sehr lieben, um Geschütze wie die Nikon aufzufahren. Oder genug Geld verdienen. Oder verrückt sein.

      Gruß, ml

  4. Ja, ist schon ein tolles Teil. Die Bilder sind Klasse geworden, schade das Du ja nichts dafür kannst. Aber das sind ja auch stolze 1,3 Kg die man da mit sich rumschleppt. Warscheinlich werden die meisten von den Nobelkammeras auf irgendwelchen Stativen ihr dasein fristen. Prima Artikel.

    1. „Ja, ist schon ein tolles Teil. Die Bilder sind Klasse geworden, schade das Du ja nichts dafür kannst.“
      *grins*

      Stimmt, ist nicht gerade eine luftgefüllte Streichholzschachtel, die man da mit sich rumträgt. Wie du richtig vermutest, werden sich die meisten wahrscheinlich an die Stative von Sportfotografen am Rand des Stadions klammern oder mit ihnen, wie hansekiki oben schreibt, diverse Vogelarten anvisiert werden.

      Nicht wenige werden aber auch in vollem Lauf und beim Sprung in einen Krater in der Hand gehalten. Von Konfliktfotografen, die eine Kamera brauchen, die etwas wegstecken kann.

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