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Nokia Lumia 1020 [Testbilder]

Ab wann darf sich ein Fotograf mal ernsthaft die Kamera eines Smartphones ansehen? Eigentlich immer, denn schließlich sind das die Kameras, welche die meisten Menschen immer dabei haben.
Spätestens aber seit dem Moment, seit dem das iPhone eine der am häufigsten genutzten Bildquellen auf Instagram, Flickr oder Facebook ist. Allerspätestens vielleicht seit dem Nokia Lumia 1020. Denn dieses Smartphone wird fast schon primär als Kamera vermarktet.

Wir alle wissen, dass Nokia in den letzten Jahren nicht mehr seelenruhig mit den großen Haien schwimmen konnte. Immerhin hat es der Konzern verstanden, dass eigene Wege zu gehen, wichtig ist. Das macht er auch und so bieten mehrere der neuesten Smartphone-Modelle fortgeschrittene Foto-Fähigkeiten. Neuester Streich ist das Lumia 1020. Das Gerät ist gerade frisch in den Handel gekommen, wird von einer riesigen Marketing-Kampagne begleitet, die sich fast nur auf die Kamera konzentriert, ist das Flaggschiff von Nokia, angeblich das beste Windows Phone derzeit und liegt gerade auf meinem Schreibtisch.

Grund genug, es von dort wegzunehmen und direkt mal nach draußen zu tragen.

Testfotos - Nokia Lumia 1020

Die technischen Daten werde ich hier nicht breit treten, die kann man hier nachlesen. Außerdem bin ich nicht so der gigantische Technik-Nerd in Bezug auf Smartphones, ich besitze selbst ein Galaxy S3, das erste Smartphone meines Lebens und neben dem Telefonieren mache ich nur ab und zu mal ein Foto damit.
Das liegt größtenteils daran, dass, wenn ich die Ahnung habe, Fotos machen zu können, ich immer meine D800 mitschleppe, egal, ob mir davon der Arm abfällt. Das Lumia 1020 soll das ja ändern, denn es soll nicht nur Digitalkameras Konkurrenz machen, sondern auch der D800. Wie das, werdet ihr fragen? Weil es eine 41-Megapixel-Kamera hat.

Okay, okay, ihr könnt euren Blutdruck wieder senken – ich habe „D800“ und das Lumia nicht in einem Satz erwähnt, weil ich die beiden vergleichen wollte, sondern eine elegante Überleitung zur gigantischen Sensorauflösung des Smartphones brauchte.
Anfangs habe ich das ja für einen Witz gehalten und gedacht, dass hier ein Marketing-Trick dahinter steckt. Sigma spricht ja auch vom 46-Megapixel-Sensor der SD1, obwohl es eigentlich knapp 15 MP in drei Schichten sind. Aber nein, das Lumia hat wirklich eine so hohe Auflösung. Oder zumindest so ähnlich…
Mit der App „Nokia Camera Pro“ schießt das Gerät Bilder mit 35 MP im 16:9-Format oder mit 38 MP im 4:3-Format. Eine weitere, integrierte App scheint nur Bilder mir etwa 5 MP zu schießen. Also doch nicht ganz Nikon D800-Level, aber nichtsdestotrotz erstaunlich hoch für eine „Handykamera“.

Jetzt kann man sich fragen, was das soll oder auf den üblichen Megapixelwahn schimpfen. Nokia hat sich dabei aber tatsächlich etwas gedacht. Zum einen ist die Auflösung eine fette Marketing-Hausnummer, mit der man klotzen kann – klar. Zum anderen verheimlicht man auch nicht, dass auch die „normalen“ Fotos von dem Kameramodul profitieren können. Der Trick ist nämlich, dass die vielen Pixel der hochauflösenden Fotos für eine verkleinerte Variante verrechnet werden. Somit soll sich eine Fotoqualität für kleine Fotos ergeben, die man bisher noch nicht auf Smartphones gesehen hat.
Ich kann das teilweise sogar bestätigen. Was vor allem aber auch daran liegt, dass der AMOLED-Bildschirm des Lumia wirklich extrem schick ist. Man merkt tatsächlich, wie weit die Technik heute ist, auch Materialien zu perfektionieren. Obwohl glänzend, reflektiert das Display erstaunlich wenig und soll dank Gorilla Glass 3 sehr unempfindlich gegen Kratzer sein. Natürlich sind auch die dargestellten Farben so knackig bunt wie eine aufgeplatzte Tüte Smarties.
Aber ihr müsst mir nichts glauben, ihr dürft natürlich gern selbst urteilen. Zwei Bilder direkt aus dem Telefon für euch zum Vergleich. Beide Varianten wurden vom Lumia erstellt, sind also nicht von mir verkleinert. Oben die 35 MP-Variante und darunter die 5 MP-Variante:

Nokia Lumia 1020, Originalfoto im 16:9-Format mit 35 MP, Achtung: rund 9 Megabyte
Nokia Lumia 1020, Originalfoto im 16:9-Format mit 35 MP, Achtung: rund 9 Megabyte
Nokia Lumia 1020, Originalfoto im 16:9-Format mit 5 MP, Achtung: rund 2 Megabyte
Nokia Lumia 1020, Originalfoto im 16:9-Format mit 5 MP, Achtung: rund 2 Megabyte

Und hier beide Varianten im direkten Vergleich der 100-Prozent-Ansicht. Rechts die hochauflösende, links die „aufgepimpte“ 5-Megapixel-Version:

testfoto_nokia-lumia-1020_special-vergleichSicher, die 100-Prozent-Ansichten der hochaufgelösten 35 MP-Fotos sehen schon sehr nach Digitalmatsch aus. Will man sie aber nicht unbedingt in Poster-Größe entwickeln, dann geht das schon klar. Dann befindet man sich auf dem Niveau kompakter Digitalkameras für nicht allzu viel Geld und kann zusätzlich noch telefonieren.
lumia1020Das Nokia steuert noch mehr zum Kamera-Feeling bei. Zum Beispiel das fette Kameramodul selbst, das den Rücken des Smartphones schon ordentlich ausbeult. Das liegt unter anderem daran, dass eine echte Linsenkonstruktion darin steckt, die zusammen mit Zeiss entwickelt wurde. Interessant ist auch der Blitz, denn dabei handelt es sich nicht um eine jämmerliche kleine LED, sondern einen Xenon-Blitz, der bis zu vier Meter weit ausleuchten können soll. Hinzu kommt noch ein optischer Bildstabilisator, der bei Handyfotos gar nicht hoch genug gepriesen werden kann. Unterwegs habe ich damit problemlos scharfe Aufnahmen während dem Laufen geschossen.

nokia-cam-pro

Sehr nett ist auf der Software-Seite die „Nokia Cam Pro“-App. Die bietet nämlich alles wesentliche, das man bei üblichen Digitalkameras auch einstellen möchte. Belichtungseinstellungen, Verschlusszeiten, Blende, ISO, Fokusabstand und Weißabgleich – alles da und mittels virtueller Drehregler sehr schnell einstellbar. Nachdem ich eine Weile fotografiert hatte, fing die App sogar an, mir Tipps zu geben. Sie lieferte mir Vorschläge, mal etwas auszuprobieren und dazu ein Tutorial, wie man fotografische Effekte wie Langzeitbelichtungen macht oder wozu der Blendenwert da ist. Für blutige Anfänger sicher eine reizvolle Geschichte, um ihre Fertigkeiten zu verbessern.

Camera-Grip-for-Nokia-Lumia-1020-jpgNoch ein nettes Detail am Rande: der Kamera-Griff. Ich weiß gar nicht, ob der serienmäßig bei jedem Lumia dabei sein wird, aber meinem Gerät lag er bei. Das ist eine Art einseitige Hülle, die man an die Rückseite des Smartphones anbringt. Sie hat einen Griffwulst mit der man das 1020 besser und vor allem wie eine Digitalkamera halten kann. Drin steckt ein zusätzlicher Akku, USB-Anschlüsse und natürlich eine Auslöser-Taste. Wer ernsthaft mit dem Lumia fotografieren möchte, wird das Ding sehr mögen.

Etwas seltsam ist im Umgang dennoch, dass das Telefon merklich zuckt, wenn die Kamera aktiviert wird oder sie sich abschaltet. Man spürt die Mechanik des Kameramoduls. Leider muss man auch sagen, dass der automatische Weißabgleich nicht immer richtig lag. Vor allem, bei Gegenlicht greift er gerne mal daneben. Und ebenfalls etwas zu langsam ist das Umschalten auf eine neue Aufnahme, nachdem man ein Foto gemacht hat.
Das liegt größtenteils aber daran, dass das Lumia meist zwei Fotos gleichzeitig macht und das erstmal wegspeichern muss. Die Standardeinstellung ist, dass ein hochauflösendes und ein verrechnetes Foto gleichzeitig geschossen werden. Denn auch Nokia ist sich darüber bewusst, dass niemand gern 13-Megabyte-Bilder zu Facebook hochladen möchte, wenn er unterwegs ist. Außerdem scheint die Foto-App jedesmal, wenn man gezoomt fotografiert auch eine Version des gesamten Bilds abzuspeichern. Das ist prinzipiell keine große Sache, denn es handelt sich ja ohnehin nur um einen digitalen Zoom, kann aber etwas unübersichtlich werden und vor allem ist der Speicher dann schneller voll.

Auf Grüntöne scheint das Lumia im Standardmodus sehr allergisch zu sein - nicht nur einmal sah das Gras eher aus wie festgewordene Götterspeise.
Auf Grüntöne scheint das Lumia im Standardmodus sehr allergisch zu sein – nicht nur einmal sah das Gras eher aus wie festgewordene Götterspeise.

Das Lumia ist glücklicherweise aber gar nicht so schwach ausgestattet. Neben dem Betriebssystem bleiben 25 Gigabyte interner Speicher übrig, denn man sich zupflastern kann. Das ist durchaus okay, nur – wie gesagt – mag ich es nicht, wenn da Dateien rumschwirren, die ich gar nicht wollte oder nicht sehen kann.
Fotografisch gibt es dann noch einige Software-Spielereien wie das automatische Erstellen von Panoramen. Die Anleitung dazu auf dem Bildschirm ist toll, das sollte sogar jemand hinbekommen, der für gewöhnlich nicht weiß, was er tut. Nur das letztliche Zusammenrechnen zu einem Gesamtbild klappt nicht immer so gut. Sony NEX- und Samsung NX-Kameras haben das wesentlich besser drauf.

Eine weitere Funktion bringt das Lumia dazu, ziemlich schnell mehrere Fotos hintereinander aufzunehmen. Das klappt ziemlich gut und anschließend kann man die Fotos zusammen arrangieren, sich die beste Aufnahme aussuchen, störende Objekte im Bild entfernen lassen oder einen Bewegungsablauf in einem einzigen Bild darstellen. Wie gesagt, Software-Spielereien gibt es da viele und das macht eigentlich auch Spaß, denn das Gerät ist wirklich flott und alles läuft flüssig ab.

Fazit

Ob man das Nokia Lumia 1020 haben muss oder nicht, mag ich nicht beurteilen. Dafür bin ich zu wenig Smartphone-Fan. Aus meiner Sicht ist es ein sehr schickes Gerät, das sich einen Hauch zu wenig in meine Hand schmeichelt, aber viele Möglichkeiten und eine sehr gute Leistung bietet.
Viel wichtiger ist mir aber, dass es vielleicht ein Zeichen der Zeit ist. Nicht dafür, dass die Leute weniger Digitalkameras kaufen, weil sie ihre Bilder doch auch mit dem Handy machen können. Sondern dafür, dass die Leute selbst mit ihrem Handy bessere Bilder machen können. Und dann vielleicht Lust bekommen, mehr zu wollen und besser zu werden. Wäre doch schön, wenn man nicht mehr sagen müsste „Ja, ganz nette Idee aber grauenhafte Qualität, schade.“

Als ich mit dem Lumia unterwegs war, hatte ich auf jeden Fall Bock, Fotos zu machen. Wollte von allem Schnappschüsse haben und fand toll, dass ich das Ding auch manuell einstellen kann und sogar einen ansehnliche Schärfentiefeeffekt erzielen konnte. Eine echte Digitalkamera kann es mir nicht ersetzen … aber anderen ganz bestimmt.

Testfotos - Nokia Lumia 1020

Mehr…

… Testbilder zu verschiedensten Kameras und Objektiven gibt es hier. Noch ein Hinweis: Die WordPress-Galerieansicht skaliert die Fotos für den Bildschirm, weshalb sie unscharf wirken. Originale anschauen mit Klick auf den entsprechenden Link unten rechts in der Einzelansicht.

12 Gedanken zu „Nokia Lumia 1020 [Testbilder]“

  1. Ich besitze noch nicht mal ein Smartphone, daher bin ich besonders beeindruckt von den Fotos. Ich denke die Hersteller werden den Markt für kleine Digiknipsen aufmischen, für Leute mit einer DSLR wird’s wohl eher ein netter Gimmik bleiben, obwohl die Fotos klasse sind.
    LG kiki

    1. Das ging mir nicht viel anders, kiki. Mein Galaxy S3 war das erste Smartphone meines Lebens nach (nur) zwei abgetragenen Telefonbacksteinen. Ich war zutiefst schockiert. ^^
      Ganz unter uns: Smartphones werden Digiknipsen letztlich umnieten. Noch sind sie nicht gut genug, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Ich arbeite in der Branche und die Verkaufszahlen für Kompakte gehen schleichend zurück. Aber kein Hersteller wird dir das einfach so sagen.
      Die Fotos oben sind klasse, da hast du recht und ich war auch überrascht, obwohl ich das Ding in der Hand hatte. Aber es ist noch ein deutlicher Unterschied zu den Fähigkeiten einer Systemkamera. Ganz andere Performance und sobald die Lichtbedingungen schlecht werden, sieht man es den Fotos an. Smartphone-Bilder können es über kurz oder lang in die Massenmedien schaffen, aber wer gute, druckbare Bildqualität und Atmosphäre durch Schärfentiefe möchte, braucht eine Systemkamera.

      Gruß, ml

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