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Leica X Vario [Testbilder]

Wann bekommt ein gewöhnlicher Fotograf schon mal eine Leica in die Hand? Genau, höchst selten. Umso differenzierter schaut man sich eine solche Kamera vielleicht gegenüber anderen an.
Wir alle kennen den Status, den sich der Hersteller in der Foto-Branche gesichert hat: legendär. Doch was ist eine Leica heutzutage? Und was ist die Leica X Vario?

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Egal, wen man fragt, das kann niemand so einfach beantworten. Leica ist mittlerweile im digitalen Zeitalter angekommen und geht dort unbeirrt seine eigenen Wege. Das spiegelt sich auch in der X Vario wieder.
Die harten Fakten: Es handelt sich um eine Kompaktkamera mit APS-C-großem Sensor, der eine Auflösung von rund 16 Megapixel bietet. Die Lichtempfindlichkeit geht bis ISO 12.500, Fotos werden unter anderem im DNG-Raw-Format aufgenommen, Videos kann sie auch und das Objektiv deckt einen Brennweitenbereich von 28 bis 70 Millimetern entsprechend dem Kleinbildformat ab.

Soweit zu den wichtigen technischen Merkmalen. Aber was man in der Hand hat, ist was anderes.

Leica-X-Vario-backDie Bezeichnung „Kompaktkamera“ ist für die X Vario praktisch eine Beleidigung und irgendwie unzutreffend. Nicht, weil sie fast zweieinhalb Tausend Euro kostet. Sondern, weil sie sich so anfühlt, als würde sie zweieinhalb Tausend Euro kosten. Die Leica ist die Definition von einem wertigen Gefühl und liegt gewichtig in der Hand. Aber nicht sonderlich bequem, denn sie ist irgendwie zu tief und hat keinen geformten Griffwulst. Das Gehäusedesign ist präzise und elegant, sowas wie unnötiges Spiel der Stellräder kennt die Kamera nicht. Umso schockierender der runde Vier-Wege-Button auf der Rückseite: grauer Kunststoff. Er hebt sich nicht nur mit einem „billigeren“ Gefühl ab, sondern fühlt sich auch so an. Dummerweise offenbart das Kameramenü beim Steuern damit auch ein paar logische Schwächen. Das ganze lässt nur den Schluss zu: Der Fotograf soll an der Kamera nicht rumfummeln, sondern mit ihr fotografieren.

Das kann sie nämlich gut. Wie bereits erwähnt und was mich an meiner alten Pentax auch begeistert hat: Raw-Fotos speichert sie im DNG-Format ab. Dieser Raw-Versuch von Adobe, einen einheitlichen Standard zu etablieren, harmoniert hervorragend mit der Software, die ich einsetze und das macht sich auch sofort bemerkbar. Die Bilder der Leica verlangen kaum danach, beim Entwickeln nachbearbeitet zu werden.
Der Dynamikumfang ist hervorragend, der Weißabgleich sitzt praktisch immer und die Farben wirken natürlich. Auch die Bildschärfe ist über alle Zweifel erhaben. Unter optimalen Bedingungen (im Testlabor auf der Arbeit) holt sie fast alles raus, was der APS-C-Sensor abzubilden in der Lage ist. Die Linsenkonstruktion korrigiert optische Fehler wie chromatische Aberrationen exzellent und versucht damit – auch das sei gesagt – die mangelnde Lichtstärke wett zu machen.
Denn die Optik bietet eine maximale Offenblende von f3,5 im Weitwinkelbereich und (nur) f6,4 im Tele. Warum das so ist, weiß niemand so genau. Da hätte ich mir durchaus mehr gewünscht. Auch der Autofokus ist nicht überragend schnell, dafür jedoch präzise.

Hier zeigt sich etwas, das ich auch in Gesprächen mit Zeiss-Mitarbeitern herausgehört habe: Ab einem bestimmten Level legt man Wert auf auf einen sicheren und zuverlässigen Autofokus, dem man den Vorzug gegenüber einem rasanten gibt. Ich merke das immer wieder im Umgang mit meiner Nikon D800: Der AF ist schnell und sicher (meist verwende ich Spot-Messung und wähle den Bildausschnitt von Hand). Die Auswertung der Autofokuszonen übernimmt die D800 wirklich rasant und verfolgt scharfgestellte Bereiche wie etwa Gesichter fast in Echtzeit. Schaltet man dann noch den 3D-AF dazu und hat etwas schlechteres Licht, gerät sie jedoch leicht ins Schlingern. Man braucht also viel Rechenpower und lichtstarke Objektive, um einen so hoch entwickelten Autofokus befeuern zu können. Der Kompromiss lautet: weniger Geschwindigkeit, dafür genauere Auswertung. So, wie Leica das umsetzt.

Ich bin eine Weile mit der X Vario unterwegs gewesen und es war spannend, mit ihr zu arbeiten. Trotz der „modernen“ Technik vermittelt sie das Gefühl, das Leben einfangen zu können und man möchte sofort auf die Straße rennen, um dokumentarische Fotos zu machen. Diese kommen sehr gut raus und benötigen kaum optische Korrekturen oder Dynamikanpassungen.
Die Leica hat zugegebenermaßen auch ein paar Mängel, die Fotografen von der Konkurrenz nicht kennen, da diese teilweise größeren Spielraum bei den technischen Möglichkeiten mitbringen. Die Fujifilms, Panasonics und Olympus‘ dieser Welt fühlen sich aber auch anders an. Apropos anfühlen, eine wichtige Erfahrung konnte ich beim Fotografieren mit der Leica machen: obwohl sie genauso teuer ist wie meine eigene Kamera, hatte ich ständig Angst, dass ich sie fallen lasse oder jemand den verlockenden roten Knopf auf der Front sieht, als ich auf der Straße unterwegs war. Auch ein Gefühl, das einem wohl nur eine Leica geben kann…

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… Testbilder zu verschiedensten Kameras und Objektiven gibt es hier. Noch ein Hinweis: Die WordPress-Galerieansicht skaliert die Fotos für den Bildschirm, weshalb sie unscharf wirken. Originale anschauen mit Klick auf den entsprechenden Link unten rechts in der Einzelansicht.

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14 Gedanken zu „Leica X Vario [Testbilder]“

  1. Eine Kamera, der ich gar nichts abgewinnen kann – sie ist für mich „weder Fisch noch Vogel“, wie man bei uns sagt.
    Da bleibe ich lieber bei meiner bewährten M6 :)

    A propos roter Punkt: Leica-Kameras wird ja immer nachgesagt, dass sie so unauffällig sind und entsprechend geeignet für die sogenannte „Street photography“. Meine Erfahrung ist eine andere: Keine meiner Kameras zieht soviel Aufmerksamkeit auf sich wie die Leica.

    1. *lach* Das mit der Aufmerksamkeit ist erstaunlich, oder?

      Du hast Recht, die M6 ist ein wunderschönes Gerät und man weiß, was man in der Hand hat. Bei den digitalen merkt man, dass Leica dasselbe will und in einem bestimmten Bereich sind sie absolute Oberklasse (ich habe feuchte Augen bekommen, als ich mir die Laborfotos der M Monochrom angeschaut habe). Und dennoch: irgendwas läuft noch falsch bei den digitalen Leicas, sie sind einfach nicht so rund, wie man sich das vorstellt.

      Gruß, ml

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